Zeiss Mikroskop Stativ I

von Prof. Gustav Carl Laube

Großes Zeiss Mikroskop Stativ I von 1875.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem sowie brüniertem Messing und gebläutem Stahl. Das Instrument verfügt über einen Schiebetubus zur groben Fokussierung und ein Rändelrad unter dem Tisch für die Feineinstellung an der Säule. Die Beleuchtung erfolgt mittels kipp-, dreh- und schwenkbarem Plan- und Konkavspiegel.

Die Blendung erfolgt über eine Revolverlochblendenscheibe, deren gewölbte Form ermöglicht einen denkbar geringen Abstand der Aperturblende zum Objekt; sie ist ein typisches Merkmal der ersten zusammengesetzten Mikroskope von Carl Zeiss Jena.

An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop über die mit Zeiss signierten Objektive B Nr. 187, E Nr. 297 Deckglasdicke 0.15 mm und F Nr. 387 Deckglasdicke 0.16 mm. Aufbewahrt werden die Objektive in signierten Messingdosen.

An Okularen verfügt das Mikroskop über die Nummern 2, 2 Polarisation (mit einem großen Nicolprisma als Analysator) und Carl Zeiss Jena 4, bei letzterem handelt es sich um eine Ergänzung aus den 1880ern.

Sehr selten ist der diesem Mikroskop beigebeben Polarisationsapparat. Zur Verwendung wird die Revolverlochblende auf die Öffnugn der größten Apperttur eingestellt, danach wird der Teller des Polarisationsapparats in die Öffnung eingeführt und über einen Bolzen in der Tischplatte fixiert.

Von der Unterseite des Tisches wird nun der Polarisator in die Hülse des Tellers eingeführt. Schließlich wird ein Ring als sehr einfacher Drehtisch auf den Teller aufgelegt.

ber eine Spielpassung gleitet dieser Ring koaxial um den Teller. Der Ring verfügt über kleine Griffe, die ähnlich wie bei einem Steuerrad angebracht sind und es dem Benutzer ermöglichen, durch ganz leichten Druck auf diese Griffe den Ring und das zu untersuchende Objekt darauf sanft zu drehen. Als Analysator dient ein Okular Nr. 2 Polarisation, in welches ein Nicol’sches Prisma integriert ist.

Auf dem Tubusträger ist das Mikroskop mit Schlagbuchstaben signiert:

15662518
Carl Zeiss
Jena.

Der Seite 137 des Auslieferungsbuchs der Firma Carl Zeiss Jena ist zu entnehmen, dass dieses Stativ I als 1566. zusammengesetztes Mikroskop am 11. Mai 1875 fertiggestellt und am 21. Dezember 1875 an das geologische Cabinet des polytechnischen Instituts nach Prag geliefert wird. Es ist ausgestattet mit den Objektiven B, C und F sowie den Okularen 1, 2 und 3.

Im Zeiss-Katalog No. 21. 1874 Mikroskope von Carl Zeiss in Jena. (Druck von W. Ratz in Jena 1874) erscheint dieses Stativ wie folgt:

No. 16. Stativ 0. Grösstes Hufeisenstativ; zum Umlegen eingerichtet nach Art der englischen Stative; drehbarer Tisch, gewölbte Blendungsscheibe, deren Öffnungen dicht unter der Tischebene liegen; Plan- und Hohlspiegel nach einer mit eigentümlichen Einrichtung nicht nur nach der Seite sondern auch nach vorn beweglich, um von jeder Seite schiefes Licht geben zu können; grobe Einstellung durch Verschieben des Tubus, feine durch Mikrometerschraube; Höhe des Oculars über der Standfläche des Instruments 30 Cm. …150 Mark

No. 17. Stativ I. Grosses Hufeisenstativ mit festem Tisch; Blendungs-, Beleuchtungs- und Einstellungsvorrichtung wie bei Nr. 16; Höhe des ganzen Instruments 28 Cm. …75 Mark

No. 34. Polarisationsapparat. Polarisator mit Condensorlinse, separate Drehung des Objects und Einrichtung zum Einlegen von Gyps- und Glimmerplättchen. Analysator mit geradflächigem Prisma im Tubus, mitdem Ocular drehbar…54 Mark

Objectiv-Systeme und Oculare.

System.Oeffnungs-winkel.Aequivalent-Brennweite.Vergrösserung
bei 155 Mm. Tubuslänge, für 250 Mm.
Sehweite mit Ocular:
Mark
1234
B40°10 mm (2/5 „)70952212516030
C48°6,4 mm (1/4 „)110020026036
E105°2,8 mm (1/9 „)24033045060066
F105°1,8 mm (1/14 „)38050072095084
Oculare1234
Aequivalent-Brennweite54 mm45 mm33 mm25 mm

Hieraus ergibt sich für die ursprüngliche Zusammenstellung des Mikroskops ein Preis von 300 Mark.

In der vorliegenden Erhaltung beläuft sich der Preis, ohne das ergänzte Okular Nr. 3 auf 316 Mark.

Der schon in seiner Zeit oft als Referenz herangezogene Leopold Dippel schreibt über den Vorgänger dieses Stativs von Zeiss 1867 (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. (Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1867): 184-185):

Das mittlere Stativ I, Fig. 122, hat einen ringförmigen Fuss, welcher einen sehr festen Stand gewährt. Von diesem aus und durch drei starke Schrauben mit ihm verbunden, erhebt sich eine vierseitige geschweifte Säule, welche den Objecttisch sowie den übrigen Körper trägt. Der Objecttisch, viereckig und sehr fest, hat 80mm Länge und 75mm Breite und bietet hinreichend Raum zu jeglicher Manipulation. Er steht bei diesem Stative fest, dagegen wird dessen Drehung durch die äusserst sinnreiche Spiegeleinrichtung ersetzt. Der Spiegel ist nämlich mit seiner Kurbel statt unmittelbar an der Säule, an einem rechtwinklig gebogenen, zugestehen, jene theurere Einrichtung in mancher Beziehung, entbehrlich gemacht zu haben. Auch die Blendungsvorrichtung dieses Statives bekundet einen Fortschritt. Sie besteht aus einer gewölbten Diaphragmenscheibe mit fünf Oeffnungen, die centrirt stets den höchsten Punkt der Vorrichtung einnehmen und so dem Objecte fast ebenso nahe gebracht werden können, wie die Cylinderblendungen. Die grobe Einstellung geschieht durch Verschiebung des Rohres, die feine mittelst Mikrometerbewegung der Tubussäule und es wirkt dieselbe mit einer Feinheit und Stetigkeit, die alle Anerkennung verdient. Dieses Stativ entspricht fast allen Anforderungen, wie ein grösseres, während es bei seinem einfacheren Bau um weit niedrigern Preis zu erwerben ist. Mit den Objectivsystemen A, C, D, F, den Ocularen 1, 2, 3 und 4, mit Camera lucida, Deckglastaster und Ocularmikrometer ausgerüstet kostet dasselbe 105 Thlr.

[…]

Bei dem ursprünglichen Anwender dieses Mikroskops handelt es sich um den Geologen Gustav Carl Laube (1839-1923). Gebürtig in Teplitz studiert Laube in Prag und München. In Wien arbeitet Laube 1863-69 an der geologischen Reichsanstalt und am Hof-Mineralienkabinet. 1865 wird er in Tübingen promoviert, im selben Jahr wird er Assitent von Christian Gottlob Ferdinand Ritter von Hochstetter (1829-1884) am Lehrstuhl für Mineralogie und Geologie des polytechnischen Institutes in Wien, hier habilitiert er sich 1866.

1869/70 nimmt Laube an der zweiten deutschen Nordpolexpedition teil, die durch den Verluste des Schiffes Hansa einen dramatischen Verlauf nimmt. Im Januar 1871 wird Laube zum ordentlichen Professor für Mineralogie, Geologie und Paläontologie am ständischen polytechnischen Institut, der späteren deutschen Hochschule in Prag berufen. Nach 5 Jahren wird er im Mai 1876 auf den neu gegründeten Lehrstuhl für Geologie und Paläontologie der deutschen Universität berufen. Hier wirkt er bis zu seiner Pensionierung 1910 weiter und wird als sehr engagierter Lehrer beschrieben.

In der Zeit von 1870 bis 1880 werden an Gustav Laube bzw. das geologische Cabinet in Prag von Zeiss folgende weitere Instrumente ausgeliefert:

  • 928 / 1710 [Stativ] I Herrn Dr. Laube Prag, [Objektive] A, C, D, [Okulare] 1, 2, 3, 4 [Verkaufsdatum] 27.02.1872
  • 2130 / 3151 [Stativ] I Cylinder Geolog. Institut Prag, [Objektive] aa, AA, D, F Corr, [Okulare] 2, 3, 4, 5 [ohne Verkaufsdatum, gefertigt 1877]

In Laubes Werk zur Geologie des böhmischen Erzgebirges (Gustav C. Laube: Geologie des böhmischen Erzgebirges. Commissions-Verlag von Rivanác, Prag 1876) heißt es im Vorwort vom Januar 1876:

Auch vom Mikroskop habe ich bei der Untersuchung nur da Anwendung gemacht, wo es zum Erkennen und Bestimmen des Gesteines besonders erspriesslich war.

Carl Zeiss um 1870.

Abbildung entnommen aus: Franz-Ferdinand von Falkenhausen, Ute Leonhardt, Otto Haueis, Wolfgang Wimmer: Carl Zeiss in Jena 1846 bis 1946 (Sutton Verlag, Erfurt 2004)

Entsprechend werden mikroskopische Untersuchungen der Gesteine im Text hin und wieder erwähnt, allerdings nennt der Autor nur ein einziges Mal den Hersteller eines Mikroskops, mit dem er arbeitet (ebd.: 63):

Ausser diesen zeigen die Schiefer noch zahlreiche trikline Feldspathleistchen und unzweifelhaft Turmaline, welche trotz ihrer Kleinheit mit Zeiss 0 c2 [sic!] und Syst. F ganz charakteristisch hervortreten.

Berücksichtigt man nun, dass er das hier gezeigte Mikroskop erst kurz vor Druck des Buches zur Verfügung hat, liegt insbesondere durch den eigentümlichen Druckfehler folgende These nahe:

Laube vermutet im Ursprungstext, dass es sich bei den kleinen Kristallen um Turmaline handelt, kann dies aber erst nach Ankunft des neuen Mikroskop mit Sicherheit sagen. Er verwendet zur Untersuchung das stärkste Objektiv und da er im polaristierten Licht arbeitet entsprechend das Okular mit dem Nicolprisma als Analysator. In das fertige Manuskript ergänzt er als Ergebnis seiner Studien zwischen den Zeilen einige Worte, die der Schriftsetzer aber nicht richtig entziffert – so entsteht ein Druckfehler und es heißt es mit Zeiss 0 c2 und Syst. F statt mit Zeiss Oc. 2 und Syst. F.

Über Gustav Carl Laube

Carl Gustav LaubeIm Nachruf auf Prof. G. C. Laube (F. Wähner (1924) Gustav Carl Laube. Lotos 72: 1-7) heißt es: Seitdem die Anwendung des Mikroskops bei der Gesteinsuntersuchung die Petrographie zu vorher ungeahnten Erfolgen führte, hat sich in der Ausübung der Geologie allmählich immer schärfer eine Zweiteilung ausgebildet. Die einen widmen sich der Untersuchung der Ablagerungen, der Sedimentgesteine mit ihren Einschlüssen organischer Natur […], die anderen der Untersuchung von aus krystallinen Gesteinen (Erstarrungsgesteinen und krystallinen Schiefern) bestehenden Gebieten, wobei unter dem Mikroskope die Gesteinsbestandteile in ihrer mineralogischen Beschaffenheit zu prüfen sind und vorwiegend physikalische und chemische Arbeitsmethoden angewandt werden müssen. L. gehörte noch zu jenen Geologen, die beide Arbeitsrichtungen beherrschten, und so hat er sich auch durch seine Untersuchungen des Erzgebirges, das zum weitaus überwiegenden Teile aus krystallinem Schiefern und Massengesteinen besteht, verdient gemacht.

Des weiteren wird hervorgehoben, wie Laube sich um die das geologische Cabinet verdient macht und in Rahmen dessen offenbar auch dieses Mikroskop 1875 anschafft:

Eine wichtige Seite seiner wissenschaftlichen Tätigkeit […] ist seine Fürsorge für das geologische Institut der deutschen Universität [zu Prag]. Schon als er in der ersten Hälfte der siebziger Jahre an der deutschen Hochschule wirkte, hat er dort eine geologische Sammlung ins Leben gerufen; in großem Ausmaße setzte er diese Wirksamkeit mit den bescheidenen staatlichen Mitteln, die im zur Verfügung standen, an der deutschen Universität fort und leistete hier Großes in der Schaffung einer mustergültigen geologischen und paläontologischen Sammlung. 

Zum Exponat

Dieses Mikroskop wird 2005 bei einer Sammlungsauflösung in Kalifornien von einem Händler an Dr. Kenneth Gregory in Long Beach verkauft. Dieser verkauft das Instrument im August 2009 zu seinem damaligen Einkaufspreis an diese Sammlung.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche: Referenz 2, 25, 54, 62, 70, 136 sowie Optisches Museum Oberkochen: „Mikroskop mit verschiedenen Lochblenden unter dem Tisch / Carl Zeiss um 1874“; Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: „Zusammengesetztes Mikroskop / Großes Stativ I / Carl Zeiss, Jena / 1875“ mit dem selben Polarisator, Mikroskop signiert „Carl Zeiss Jena 1814 / 2454“

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.