Immersionsultramikroskop

nach R. Zsigmondy von Winkel-Zeiss, Göttingen

Immersions-Ultramikroskop nach R. Zsigmondy von Winkel-Zeiss aus dem Jahre 1930.

Das Stativ ist gefertigt aus vernickeltem und schwarz lackiertem Messing und lackiertem Stahl.

Dieses Ultramikroskop verfügt über das auf einem Schlitten montierte Beleuchtungsobjektiv R. Winkel Ultra-Wasserimmers. 6.2 mm Nr. 23807 mit Gummiring und das ebenfalls auf einer Schwalbenschwanzführung montierte Beobachtungsobjektiv R. Winkel Ultra-Wasserimmers. 6.2 mm B.O. D.R.P. 268876 Nr. 23797. Zur Betrachtung des Zwischenbildes dient ein Kompensationsokular Nr. 6.

Ein Spiegel ist an dem festen Stativ montiert, er wird nur für Eichungsmessungen desr Teilungen des Okulars benötigt.

Auf dem Tubus befindet sich die Signatur:

Winkel-Zeiss
Göttingen

Nr. 32607

Dem Chemiker Richard Zsigmondy (1865 – 1929) gelingt es gemeinsam mit dem bei Carl Zeiss in Jena tätigen Physiker Henry Siedentopf (1872- 1940) im Jahre 1902 das Spalt-Ultramikroskop vorzustellen und Goldnanopartikel mit unter 4 nm Durchmesser in Rubingläsern sichtbar zu machen. Ihre auf einer optischen Bank zu montierende Erfindung wird rasch kommerzialisiert und eine Reihe Apparate zur Untersuchung kolloidaler Lösungen finden in dem aufstrebenden Wissenschaftszweig Anwendung.

Zsigmondy wird 1908 nach Göttingen berufen

und wendet sich dort an Rudolf Winkel, um das Ultramikroskop weiter zu verbessern und die Helligkeit der Beugungsscheibchen der Nanopartikel in Lösung mittels hochaperturiger Beleuchtungs- und Beobachtungsoptiken weiter zu steigern. Es gelingt Zsigmondy mit der Unterstützung von Albert und Hermann Winkel ein Immersions-Ultramikroskop vorzustellen, welches ab 1912 mit dem Patent Nr. 268876 geschützt ist.

Sowohl das Beleuchtungs-, als auch das Beobachtungsobjektiv ist als Wasserimmersion mit 6,2 mm Brennweite und numerischer Apertur von 1,05 ausgeführt. Um beide Optiken unter den für die extreme Dunkelfeldmethode nötigen 90° anzunähern sind die Frontlinsen aus Quarzglas samt Fassung unter 45° angeschliffen. Erstmals können mit dieser Apparatur Nanopartikel in wässriger Lösung eingehend studiert und charakterisiert werden.

Zsigmondy beschreibt damit die Masse der Partikel und stellt Vermutungen über deren Geometrie an –

erst Jahrzehnte nach diesen Versuchen können seine Annahmen als richtig bestätigt werden. Im Jahre 1919 wird das Ultra-Immersionsmikroskop bei Winkel von Arthur Ehringhaus in der Konstruktion und Fertigbarkeit weiter verbessert, baut aber im Wesentlichen auf dem Patent 268876 auf. Das hier gezeigte Mikroskop stellt die Ausführung dieses Geräts aus dem Jahre 1930 dar.

Das Beleuchtungsobjektiv ist auf einem Kreuzschlitten montiert, der eine genaue Ausrichtung der Beleuchtungs- auf die Beobachtungsachse zulässt. Die zu untersuchende kolloidale Lösung wird über einen Trichter eingefüllt und in einen am Beleuchtungsobjektiv angeklemmten kleinen Trog aus schwarzem Glas gefüllt. Die Objektivfassungen sind aus galvanisch vergoldetem Münzsilber hergestellt, um möglichst widerstandsfähig gegen Säuren und Basen zu sein. Aus dem selben Material ist die Fassung des Glastroges ausgeführt und als D.R.G.M. 842461 geschützt. Die Helligkeit der selben Nanopartikel ist im Vergleich zum Spalt-Ultramikroskop in dieser Konstruktion ganze 21 mal größer. Das Volumen des Glastroges wird bei Auslieferung geeicht und beträgt im vorliegenden Fall 3,08 Nanoliter.

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Zsigmondy wird 1925 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet; in der Begründung heisst es er erhalte den Preis für die Aufklärung der heterogenen Natur kolloidaler Lösungen sowie für seine dabei angewandten Methoden, die grundlegend für die moderne Kolloidchemie sind. Streng genommen handelt es sich damit um den ersten Nobelpreis, der für ein Mikroskopieverfahren verliehen wird.

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In R. Winkel G.m.b.H.:

Immersions-Ultramikroskop nach R. Zsigmondy (Druckschrift Nr. 234, Buchdruckerei des Waisenhauses, Halle 1925) wird dieses Instrument angeboten als:

Spezial-Mikroskopstativ „Ultra“ mit Schlittenfassungen, Trichtergestell, 2 Glastrichtern, Beobachtungstrog und Schlauch mit Quetschhahn…Mk. 450,-

Zwei Wasser-Immersionen, Brennweite 6,2 mm, num Apertur 1,05 und 0,80 auf Schlitten montiert, als Beleuchtungs- und Beobachtungssystem für ultramikroskopische Untersuchungen…Mk. 450,-

Schrank…Mk. 25,-

Das übrige Zubehör wie der optische Bank, der Präzisionsspalt, die regelbare elektrische Beleuchtungseinrichtung etc. schlagen mit weiteren Mk. 550.- zu Buche.

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Optional können darüber hinaus weitere mechanische und einfacherer optische Bauteile bestellt werden, mit denen das Stativ zur Charakterisierung von Festkörpern mit eingebrachten ultramikroskopischen Teilchen verwendet werden kann.

Das hier gezeigte Mikroskop wird im Schrank stehend aufbewahrt und laut Vergrösserungstabelle zu Silvester 1930 an die Universität Salzburg ausgeliefert, hierauf verweist die Plakette der ehemaligen Inventurnummer 245.

Da die Konstruktion des Ultramikroskops ausschließlich die Untersuchung von Nanopartikeln zulässt und keine herkömmlichen mikroskopischen Arbeiten damit durchgeführt werden können überdauern die wenigen gefertigten Stative dieser Art nur selten die Jahrzehnte. Es ist entsprechend selbst nach intensiver Recherche bisher kein weiteres erhaltenes Immersions-Ultramikroskop in einer öffentlichen oder privaten Sammlung bekannt.

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Im Frühjahr 2011 wird dieses Mikroskop eingesetzt, um einen historischen Versuch Richard Zsigmondys am Institut für Photonische Technologien (IPHT) in Jena zu wiederholen und mit modernen Methoden zu vergleichen.

Im Oktober 2012 erscheinen die Ergebnisse dieser Versuche in einem Zeitschriftenartikel zum 100. Geburtstag des Immersions-Ultramikroskops als: T. Mappes, N. Jahr, A. Csáki, N. Vogler, J. Popp und W. Fritzsche (2012), Die Erfindung des Immersions-Ultramikroskops 1912 – Beginn der Nanotechnologie? Angewandte Chemie 124 (45): doi: 10.1002/ange.201204688 sowie in der englischsprachigen Ausgabe dieser Zeitschrift. Neben dem Immersions-Ultramikroskop wird bei dieser Gelegenheit auch die Entwicklung des Spalt-Ultramikroskops eingehend diskutiert.

Über Rudolf Winkel

winkel_gemaeldeRudolf Winkel

Der am 4. September 1827 als Sohn eines Lehrers in Göttingen geborene Rudolf Winkel wird durch den frühen Tod seines Vaters gezwungen den Besuch des Gymnasiums frühzeitig abzubrechen.

Winkel lernt bei der Hamburger Firma Lipperts Maschinenbauer und erweitert seine handwerklichen Fähigkeiten bei der Eggerstorffschen Maschinenfabrik Hannover. Auf eine Beschäftigung beim Bau feinmechanischer Instrumente im Betrieb von F.W. Breithaupt & Söhne Kassel folgen für Rudolf Winkel mehrjährige Aufenthalte in verschiedenen Werkstätten Thüringens, Böhmens und Österreichs.

Schließlich kehrt Winkel um 1855 nach Göttingen zurück und baut in der Werkstatt von Moritz Meyerstein feinmechanische Instrumente für die Göttinger Universität, er heiratet noch im selben Jahr. 1857 mietet Winkel in der Goethe-Allee Göttingen Räume an, um dort feinmechanische Arbeiten für Breithaupt und die Universität auszuführen.

Der erste Lehrling Winkels wird 1858 F.G. Voigt, der spätere Inhaber von Voigt & Hochgesang.

Als Folge des Krieges 1866 gerät das noch junge Unternehmen in Schwierigkeiten, da die Verbindung nach Kassel abreißt und damit ein wichtiger Kunde verloren geht. Doch eine Trichinose-Epidemie in Süd-Hannover läßt die Nachfrage nach einfachen Mikroskopen durch Rudolf Virchows Publikation 1864 zur mikroskopischen Fleischbeschau sprunghaft steigen und so verläßt im Jahre 1866 das erste Trichinenmikroskop die Winkel’sche Werkstatt.

1870 kommen aus Göttingen die ersten größeren Mikroskope, sie werden von Prof. Listing begutachtet – er vergleicht sie mit den damals sehr renomierten englischen Instrumenten und bescheinigt Winkel eine bessere Qualität seiner Instrumente als jene der Britischen Inseln. Bemerkenswert scheint dies insbesondere vor dem Hintergrund Winkels, der als Autodidakt sogar die von ihm verwendeten Maschinen zur Fertigung der Mikroskope selbst konstruiert und sämtliche Optiken zu dieser Zeit noch „pröbelnd“ optimiert.

Die Winkel’sche Werkstatt zieht 1874 in eigene Räumen: Düstere Eichenweg 9, Ecke Baurat Gerber-Straße in Göttingen – 1872 war der älteste der drei Söhne Winkels als Lehrling in den Berieb eingetreten.

Es wird Rudolf Winkel nachgesagt, er habe jedes Instrument seiner Werkstätte selbst überprüft und ein Mikroskop der geringfügigsten Unebenheit wegen mit dem Hammer zerschlagen, ohne die Möglichkeit zur Behebung des Fehlers nur in Betracht zu ziehen.

Über das Exponat

Das hier gezeigte Instrument wird 2006 von Dr. Olaf Medenbach dieser Sammlung geschenkt.

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.