Sehr frühes Mikroskop

von Ernst Leitz in Wetzlar

Sehr frühes kleines Leitz Mikroskop; Stativ IV um 1870.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Der grobe Fokus des Instrumentes wird durch einen Schiebetubus erreicht, die Feineinstellung durch eine Rändelschraube auf der Säule. Der Hohlspiegel ist dreifach gelagert; unter der Tischplatte befindet sich eine Revolverlochblendenscheibe mit vier Aperturblenden.

Das Mikroskop ist ausgerüstet mit den Okularen I und III, deren Hülsen wie bei den frühen Mikroskopen von Kellner und Belthle zaponiert sind. An Objektiven finden sich bei dem Mikroskop die Nummern 1, 3 und 7, letzteres trägt jedoch keine Bezeichnung. Die Vergrösserungtabelle des Mikroskops ist auf die Rückseite des Deckels für das Zubehörfach geklebt – das Mikroskop ist in der optischen Ausstattung demnach offensichtlich vollständig erhalten und erlaubt lineare Vergrösserungen von 20 bis 500-fach.

Auf dem Tubusträger befindet sich die schlichte, tief eingeschlagene Signatur:

E. Leitz
in Wetzlar
No 1189

Bei diesem kleinsten Stativ aus der Werkstatt von Ernst Leitz handelt es sich um den im Fuß vereinfachten Nachfolger des in dieser Sammlung gezeigten Leitz Mikroskop Stativ 1164.

Im Gegensatz zu den vorhergehenden größeren Instrumenten aus dem von Carl Kellner und Moritz Hensoldt gegründeten Optischen Institut in Wetzlar wird bei diesem Feintrieb keine Prismenstange zur Führung verwendet.

Dieses Mikroskop wird in Preisverzeichniss der Mikroskope

des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts. Nachfolger Leitz vormals Belthle und Leitz aus dem Jare 1872 angeboten als:

A. Mikroskope.

[…]

Nr. VI.

14. Kleines Mikroskop. – Neues verbessertes Stativ mit viereckigem Fuss. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine durch Mikrometerschraube über der Säule. Spiegel konkav für schiefes Licht. Systeme 2, 5, 7. Okular I.IV. Vergrösserungen von 35 – 600…32 Thlr.

15. Dasselbe Mikroskop mit Okular-Mikrometer System 1, 3, 7. Okular I. IV. Vergrösserungen von 20 – 600…30 Thlr.

16. Dasselbe Mikroskop System 3, 7. Okular I. III. Vergrösserungen von 50 – 500…25 Thlr.

Dem Mikroskop ist in einer mit E. Gundlach in goldenen Lettern bedruckten kleinen Lederschatulle ein Immersionsobjektiv von Ernst Gundlach, selbst ursprünglich Mitarbeiter des optischen Instituts, beigegeben: No. VIII. / Immersion / Gundlach. Gundlachs Immerionsobjektive werden 1869 viel beachtet und sind in der Fachwelt sehr beliebt.

Ein Doublette mit 32 -facher Vergrößerung in gedrechseltem Holzdöschen

von G. & S. Merz ist dem Mikroskop ebenfalls beigefügt. Es erscheint im Preis-Courant der Mikroskope aus dem Institute von G. 56 S. Merz, vormals Utzschneider & Fraunhofer, in München aus dem Jahre 1867 als:

B. Mikroskopische Gegenstände.

[…]

Lupen: Doublet’s von 5, 12, 17, 24 und 32maliger Vergrösserung Preis 3 1/2 Gulden = 2 Thaler

Dieses kleine Mikroskop stellt das älteste bekannte erhaltene Instrument dar,

welches ausschließlich mit dem Namen Ernst Leitz versehen ist. Die Entwicklung der Signaturen der Werkstätte lässt sich wie folgt belegen:

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Hiernach verweist Ernst Leitz irgendwann zwischen den fünf Instrumenten mit den Seriennummern 1185 und 1189 in der Signatur nicht mehr auf den ersten Firmeninhaber und Gründer des Optischen Instituts. Ernst Leitz muss auf seine Leistungen zu diesem Zeitpunkt so stolz gewesen sein, dass er fortan nur seinen eigenen Familiennamen als Markenzeichen zur Kennzeichnung der Mikroskope verwendet.

Nach Angabe des Archivs von Leica Microsystems GmbH sind die Mikroskope aus dem ursprünglich von Carl Kellner geführten Optischen Institut bis Seriennummer 1044 (ausgeliefert am 12.06.1868) erfasst. In den Auslieferungsbüchern klafft danach eine Lücke. Erst ab Seriennummer 1300 sind die Mikroskope wieder eindeutig gelistet. So ist es nicht mehr möglich festzustellen, an wen das Mikroskop Nr. 1189 mit welcher Ausstattung und zu welchem Zeitpunkt verkauft worden ist.

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Bei dem letzten bekannten Besitzer des Mikroskops

handelt es sich um Markus Heukemes (21.09.1864 – 08.03.1951), der im belgisch-deutschen Grenzgebiet als Zollinspektor tätig ist und sich privat intensiv mit der Pflanzenkunde beschäftigt. In seinem großen Garten baut er zahlreiche Pflanzen- und Genüsesorten an, von denen er sich vorwiegend, neben selbst erlegtem Wild, ernährt. Für seine Naturstudien verwendet er das hier gezeigte Mikroskop, dem verschiedene mikroskopische Präparate der späten 1860er beigegeben sind. Im Holz des Kastens ist der eingeritzte Name Grube zu lesen, der möglicherweise auf den ersten Besitzer des Mikroskops verweist.

Über Carl Kellner

carl_kellner_portraitCarl Kellner (26.03.1826 – 13.05.1855)

Carl Kellner gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden. Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854 an Darmtuberkulose, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod.

Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 – 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma „Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)“ stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert. Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter neben dem bereits erwähnten Ernst Gundlach auch Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder – im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Ernst Leitz tritt Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus „am reformierten Treppchen“ befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert. Bei dem hier gezeigten Mikroskop handelt es sich wie beschrieben um eines der allersten Geräte, die Leitz nur mit seinem eigenen Familiennamnen signiert und dabei nicht mehr auf den berühmten Gründer der Werkstätte verweist.

Über das Exponat

Bei dem letzten bekannten Besitzer des Mikroskops handelt es sich um Markus Heukemes (21.09.1864 – 08.03.1951), der im belgisch-deutschen Grenzgebiet als Zollinspektor tätig ist und sich privat intensiv mit der Pflanzenkunde beschäftigt. In seinem großen Garten baut er zahlreiche Pflanzen- und Genüsesorten an, von denen er sich vorwiegend, neben selbst erlegtem Wild, ernährt. Für seine Naturstudien verwendet er das hier gezeigte Mikroskop, dem verschiedene mikroskopische Präparate der späten 1860er beigegeben sind. Im Holz des Kastens ist der eingeritzte Name Grube zu lesen, der möglicherweise auf den ersten Besitzer des Mikroskops verweist.

Im Juli 2010 kann das Mikroskop aus dem Nachlass von Markus Heukemes für diese Sammlung erworben werden, nachdem es über mindestens vier Generationen in Familienbesitz bewahrt wird.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

Referenz 4, 5, 34, 56, 74, 97

(Daten zur fehlenden Datiersmöglichkeit mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Archiv Leica Microsystems GmbH, 31.07.2007)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.