Kleines Seibert-Mikroskop

Wilhelm und Heinrich Seibert in Wetzlar

Kleines Seibert-Mikroskop; Stativ 7; Nr. 1423, um 1875.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing und Blei. Die Grobeinstellung erfolgt über einen Schiebetubus, die Feineinstellung über ein Rändelrad an der Säule. Zur Beleuchtung dient ein Plan- und Konkavspiegel; unter dem Tisch ist ferner ein Lochblendenrevolver angebracht.

An optischer Ausrüstung verfügt das Instrument über das Objektiv Seibert NO III sowie ein Okular I. Über dem Gewindestutzen des Objektivs befindet sich ein Längsschlitz der ursprünglich bei Verwendung einer Polarisationseinrichtung zur Aufnahme von Verzögerungsplatten gedacht war. Aufbewahrt wird das Instrument liegend im Kasten.

Die Serienummer des Instrumentes ist auf der Unterseite des Rundfußes mit Schlagzahlen verzeichnet und im Kasten eingeprägt.

Auf dem Tubus signiert:

Seibert.

Während dieses Stativ in den Katalogen der Firma 1873 noch nicht und 1876 nicht mehr erscheint,

ist es gelistet in: Optisches Institut von Seibert & Krafft / E. Gundlachs Nachfolger in Wetzlar früher Charlottenburg bei Berlin:

Katalog der Mikroskope, mikroskopischen und mikro-photographischen Objective und Apparate nebst Preisangabe derselben. Juni 1875. (Gedruckt bei Ferd. Schnitzler, Wetzlar 1875):

No. 7. Einfaches Mikroskop. Runder Messingfuss. Schnelle Bewegung des Tubus durch freie Schiebung; genaue Einstellung mittelst feiner Schraube, deren Handknopf sich über der Tubussäule befindet (Bewegung ohne Friction, siehe Nr. 1), drehbare Blendungsscheibe mit 5 Diaphragmen; Hohl- und Planspiegel nach beiden Seiten hin beweglich. Hierzu die Objective No. II und Va, Oculare No. I und III; letzteres mit Mikrometer zum Einschieben (Vergrösserungen 70-610fach); Test-Objecte, Objectträger, Deckgläser etc. In Mahagoni-Kasten … 120 Mark
Das gleiche Instrument ohne Mikrometer … 114 Mark

Am Kasten befindet sich noch ein altes Inventurschildchen,

welches in kyrillischer Schrift auf den ursprünglichen Besitzer verweist: Berg-Institut Nr. 1363 (diese Hochschule, der deutschen Bergakademie entsprechend, befindet sich auch noch heute in St. Petersburg, Rußland).

An dieser Forschungsstätte hat bis 1883 auch der berühmte russische Mineraloge Ewgraph Stepamowitsch von Fedorow (1853 – 1919) studiert, welcher sich maßgeblich an der Weiterentwicklung der Polarisationsmikroskopie für die Petrographie beteiligt.

Das Instrument ist in seiner Ausführung mit Rundfuß und Tisch typisch für die frühen Mikroskope aus Wetzlar. Stative der Firma Seibert mit dem relativ zum Hufeisenfuß einfacher zu fertigenden Rundfuß sind recht selten.

Über Wilhelm und Heinrich Seibert

seibert_wilhelm_xseibert_heinrich_xWilhelm (1840 – 1925) und Heinrich (1842 – 1907) Seibert

gehen beide bei Carl Kellner, mit dem sie über ihre Mutter verwandt sind, und dessen Nachfolger Friedrich Belhtle in die Lehre. Sie arbeiten zusammen Ende der 1850er für Ernst Gundlach, ein Optiker der seinerseits sowohl bei Edmund Hartnack als auch bei Belthle gearbeitet hat. Gundlachs Unternehmen geht jedoch schon nach einem Jahr ein.

Nachdem die Brüder Erfahrung in anderen Betrieben gesammelt haben, arbeiten beide später wieder für Belthle in Heimarbeit. Schließlich beliefern sie ausschließlich Gundlachs neue Firma in Berlin. Als jener in Zahlungsschwierigkeiten kommt, machen sie sich 1872 mit dem Wetzlarer Kaufmann Georg Krafft selbständig. Im selben Jahr kaufen sie Gundlachs Werkstätte auf und verlegen sie 1873 nach Wetzlar.

1884 wird Krafft ausbezahlt und das Unternehmen in „W. & H. Seibert“ umbenannt. Die Gebrüder Seibert streben in Ihrer Arbeit auch danach stets an, das Mikroskop in Einzelanfertigung zum Kunstwerk zu erheben.

Im Jahr 1900 wird das Seibert-Mikroskop Nr. 10 000 hergestellt.

Weltruhm erlangt die Firma durch die Verbindung mit Robert Koch, der 1877 mit einem Seibert-Mikroskop (mit mikrofotografischer Einrichtung, Photoobjektiven und Immersionsobjektiven) seine berühmten „Bakterien-Photogramme“ des Milzbrand-Bakteriums erstellt. Im Jahre 1878 liefert die Firma Seibert wieder ein Mikroskop samt Ölimmersion an Robert Koch nach Wollstein, der dieses Instrument zur Erforschung der Wundinfektionskrankheiten benutzt. Während Robert Koch in der Empfangsbestätigung aus dem Februar 1877 die Seibert’schen Produkte lobt, schreibt er ein Jahr später in einem persönlichen Brief an die Firmeninhaber, ihm seien mit dem Seibert-Instrumentarium „nicht unwichtige Entdeckungen“ gelungen.

Über das Exponat

Über Schweden kommt dieses Mikroskop schließlich im Spätsommer 2000 zurück nach Deutschland.

Referenzen und Vergleiche

Datierung mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Leiter Firmenmuseum und -archiv Leica GmbH Wetzlar, 14.08.2001 und Walter Seibert, Wetzlar 11.10.2001 – eine genauere Datierung ist leider nicht möglich, da die betreffenden Bücher der Fa. Seibert verbrannt sind

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.