Mikroskop von Prof. Otto Edward August Hjelt

gebaut von F. W. Schiek

Kleines Schiek Mikroskop

Trommelstativ von 1857. Das Instrument ist gefertigt aus zaponiertem und geschwärztem Messing sowie gebläutem Stahl. Das Mikroskop verfügt über einen Auszugstubus (mit kleiner Luftauslaßbohrung), die grobe Einstellung wird über einen Schiebetubus ermöglicht, der Feinfokus durch das Heben des Tisches über einen seitlichen Trieb. Die Gängigkeit des Feintriebs kann über eine kleine Schraube am Führungsstift justiert werden. Die Regulierung der Beleuchtung erfolgt über eine Revolverlochblende mit vier Öffnungen.

Um eine bessere Standfestigkeit zu erreichen ist der runde Fuß des Mikroskops mit Blei ausgegossen.

Ausgestattet ist das Mikroskop

mit den beiden Okularen Nr. 1 und Nr. 2 sowie einem dreiteiligen Satzobjektiv, dessen Systemringe mit den Schlagzahlen 1, 2 und 3 versehen sind, und einem zusammengesetzten System Nr. 4.

Die Signatur des Instrumentes befindet sich auf der Fassung der Schiebehülse:

Schiek
in Berlin
No 884

Liegend wird das Mikroskop im Mahagoni-Kasten untergebracht.

Hierin findet sich eine handgeschriebene Gebrauchsanleitung sowie eine Vergrösserungstabelle.

Herrmann Schacht (Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie und Physiologie. Verlag von G.W.F. Müller, Berlin 1851) schreibt zu diesem Stativtyp: Schiek verfertigt kleine Mikroskope nach der Construction der kleinen Instrumente Oberhäuser’s, das Stativ ist etwas solider, der Tisch hinreichend breit; diese Instrumente sind sehr preiswürdig.

Im Jahre 1863 bietet Schiek weiterhin sein berühmtes Stativ auf messingenem zusammenzulegendem Dreifusse an, das grösste zusammengesetzte Mikroskop ist jedoch bereits als nach Oberhäuser bezeichnet.

Das hier gezeigte kleine Trommelstativ orientiert sich ebenfalls an dem von Georg Oberhäuser angebotenen Stativ. So wird im Preis-Courant der Mikroskope von F.W. Schiek in Berlin. Halle’sche Str. No. 15 aus dem Jahre 1863 dieses Mikroskop geführt als:

G. Kleines zusammengesetztes Mikroskop

nach der Konstruktion der kleinen Oberhäuser’schen Instrumente, dessen gröbere Bewegung aus freier Hand, die feinere aber durch eine Schraube am Objekttisch bewerkstelligt wird. Es enthält vier Objektiv-Linsen und zwei Okulare u. s. w. Linearvergrösserungen 40 bis 500 Mal…40 Thlr.

Aus der Werkstätte von F.W. Schiek

liegen zwei Listen vor: Eine Kundenliste (1840-1864) mit den Nummern 60 – 1341 sowie eine Auslieferungsliste der Mikroskopseriennummern 1 – 250. Die Kundennummern differieren schwankend bis zu ungefähr 30 Positionen von den Seriennummern der Mikroskope.

Daher ist eine genaue Zuordnung der Mikroskope aus der Werkstatt von F.W. Schiek mit Seriennummern über 250 in der Regel nicht möglich. Der Kundenliste von F.W. Schiek ist zu entnehmen, dass im Zeitraum von 1850 bis 1864 nach Finland ganze fünfzehn Mikroskope geliefert werden – alle an Dr. Hjelt nach Helsinki.

Im Jahre 1857, dem Herstellungsjahr dieses Mikroskops, werden die ersten drei Mikroskope in die finnische Hauptstadt geliefert, als laufende Kundennummern 869 bzw. 881 und 882 erscheint in der Kundenliste: Herr Dr. Hjelt in Helsingfors / demselben

Die Vergrößerungstabelle des Mikroskops verfügt über eine Nachtragung in Bleistift (die Zahl 894), dieses Mikroskop Nr. 884 muss demnach mit dem Schiek-Mikroskop Nr. 894 nach dem Verkauf an ein und demselben Ort sein, so dass die Beschreibung und der Kasten der Instrumente verwechselt werden kann. Ferner werden im Laufe des Jahres 1857 insgesamt 53 Mikroskope verkauft. Davon werden an vier Kunden jeweils zwei beziehungsweise drei Mikroskope abgegeben – außer an Dr. Hjelt tauchen diese Instrumente in der Liste jedoch im Block auf, das heißt, sie werden gemeinsam ausgeliefert und es ist daher davon auszugehen, dass sie benachbarte Seriennummern tragen. Nur im Falle des Kunden Dr. Hjelt müssen demnach ungefähr 10 Seriennummern (ungefähr zwei Monate) zwischen dem ersten und den beiden weiteren Instrumenten liegen.

Damit verdichten sich die Indizien, dass das vorliegende Mikroskop Nr. 884 zusammen mit Nr. 894 (und einem weiteren Mikroskop) im Jahre 1857 an Dr. Hjelt geliefert wird und es sich bei Nr. 884 um das erste von F.W. Schiek an Dr. Hejlt ausgelieferte Mikroskop handelt.

Otto Edward August Hjelt (1823-1913) studiert als gebürtiger Finne in Würzburg, Berlin, Prag und Wien. Rudolf Virchow gibt als Betreuer von Hjelts Doktorarbeit den Anstoß zu dessen Forschungen auf dem jungen Gebiet der Neurologie. Otto Hjelt wirkt nach seiner Rückkehr nach Finnland zunächst als Prosector der Anatomie und wird 1857 auf die neu geschaffene Professur für pathologische Anatomie an die Universität von Helsingfors berufen. Er baut das neue pathologisch-anatomische Institut und die dazugehörige Präparatesammlung auf und gliedert dem Institut eine eigene kleine Krankenstation an, dem Vorbild Virchows an der Charité folgend. Nach der Emeritierung 1885 widmet sich Hjelt bis zu seinem Tod 1913 der Medizingeschichte. Ernst A. Homén (1851-1926) wird 1886 als Nachfolger Hjelts berufen und baut die Neuropathologie weiter aus.

Otto E.A. Hjelt ist sein Leben lang mit Rudolf Virchow freundschaftlich verbunden. Schön zeigt sich dies in den einleitenden Worten seiner 1860 erscheinenden Abhandlung Ueber die Regeneration der Nerven erschienen als Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. Von Dr. Otto Hjelt in Helsingfors (Finnland) (R. Virchow [Hrsg.]: Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin 19 (3-4): 352-367):

Ihrer gütigen Aufforderung Folge leistend, bitte ich, Ihnen, hochgeehrter Herr Professor, einen Auszug aus der Abhandlung, die ich in schwedischer Sprache über die Regeneration der Nerven veröffentlicht habe, übersenden zu dürfen. Sie haben mir die erste Veranlassung gegeben, diese Untersuchung vorzunehmen und mich mit Ihrem Rath dabei unterstützt. Da diese Abhandlung die Lehre von der Regeneration der Nerven im Allgemeinen, die Fettmetamorphose der Nervenröhren u. s. w. umfasst, habe ich jetzt nur das mitgetheilt, was sich speciell auf den histologischen Vorgang bei den regenerativen Prozess bezieht. – Die Zeit, die ich in Würzburg und in Berlin, mit pathologisch-anatomischen Studien beschäftigt, bei Ihnen zubrachte, wird mir immer in dankbarer Erinnerung verbleiben, nicht nur für Alles, was ich in wissenschaftlicher Beziehung gewonnenen habe, sondern auch für das persönliche Wohlwollen, das Sie mir jederzeit bewiesen haben. Ich bitte, dass Sie diese nachfolgenden Zeilen aus dem weit entfernten Lande als einen Ausdruck meiner vielfachen persönlichen Verpflichtungen gütigst betrachten wollen.

Offenbar handelt es sich bei dem hier gezeigten Mikroskop um das erste Instrument, welches Hjelt nach seiner Berufung 1857 für das neue Institut beschafft; wie beschrieben, folgen im selben Jahr zwei weitere Instrumente. An Hjelt werden aus der Werkstatt von Schiek 1858 sechs, 1862 drei und 1864 weitere drei Mikroskope geliefert.

Über Friedrich Wilhelm Schiek

Friedrich Wilhelm Schiek

Friedrich Wilhelm Schiek wird 1790 als Sohn eines Chirurgen in Herbsleben, Thüringen geboren. Sein Vater wechselt den Beruf und zieht mit der Familie nach Frauensee.

Im nahegelegenen Schloß Philippsthal des Prinzen Ernst Constantin zu Hessen-Philippsthal entsteht kurz vor 1800 eine mechanische Werkstatt. Als Nachfolger des Hofmechanicus Heinrich Carl Wilhelm Breithaupt wird 1800 Ludwig Wisskemann als erster Hofopticus und Mechanicus ernannt; bei ihm geht der junge Schiek von 1808 bis 1811 in die Lehre. In Schieks Lehrbrief wird sein Fleiß und gute Benehmen besonders hervorgehoben.

Mit solch guten Referenzen wird Schiek als Mitarbeiter bei Pistor in Berlin aufgenommen. Carl Philipp Heinrich Pistor (1778-1847 ) hat bereits 1810 einfache physikalische Geräte angeboten und spätestens 1813 eine eigene Werkstätte gegründet, in der neben astronomischen und geodätischen Instrumente auch Mikroskope gefertigt werden. Letztere sind nach dem Vorbild der englischen Geräte gebaut, z.B. nach Jones, Ellis, Adams etc.

Das älteste bekannte Stück mit der Signatur „Pistor & Schiek“ ist der Preußische Ur-Maßstab von 1816. Als Gründungsjahr der Firma Schiek wird schließlich 1819 angegeben, vier Jahre vor Plössl (mit dessen Stil die Mikroskope Schieks häufig verglichen werden). Das optisch-mechanische Institut bezeichnet sich später selbst in Anzeigen als älteste Mikroskopfabrik Deutschlands.

Möglicherweise ist Schiek bis zum Jahr 1824 als Zulieferer für Pistor tätig. Danach wird er Teilhaber, die Firma nennt sich Pistor & Schiek. Aus dem Jahre 1829 liegt in den Astronomische Nachrichten Bd. 7 eine ausführliche Preisliste vor.

Sehr wahrscheinlich ist Schiek neben dem kreativen Theoretiker Pistor der mechanische Künstler in der Werkstatt. Man spricht in der Literatur der Zeit lobend von den Schiek’schen Mikroskopen, was den Schluß nahelegt, dass Schiek sich schon früh allein um die Mikroskopherstellung bei „Pistor & Schiek“ kümmert. Gegen Ende des Jahres 1836 trennt sich Schieck schließlich von Pistor.

In Dorotheenstraße 31g baut Schiek ab 1837 in eigener Werkstatt Mikroskope. Schon bald siedelt Schiek in die Marienstraße 1a in größere Räume um. Bei der Berliner Gewerbeausstellun von 1844 wird Schiek eine goldene Medaille für den Bau seiner Mikroskope verliehen. Man stellt die Leistung der Instrumente aus Schieks Werkstatt mit jenen von Georges Oberhaeuser Paris und Simon Plössl Wien gleich. Besonders erwähnt wird bei allen drei, dass keine überzogenen Preise für die Mikroskope verlangt werden würden. Die mittleren Stative aller drei Firmen belaufen sich dabei um 1850 auf gut 100 Thaler – das entspricht dem halben Jahrslohn eines gut bezahlten Mechanikers.

Bis Mitte der 1850er verwenden Schiek und Plössl starke Okulare und schwache Objektive – im Gegensatz zu Oberhaeuser und Amici welche die Vorteile höherer Auflösung bei umgekehrtem Verhältnis bereits erkannt haben. Zudem werden Mikroskope von Oberhaeuser und Hartnack seit Beginn mit festen System ausgeliefert, während Schiek noch bis 1860 zusammensetzbare Objektive baut.

Der „Rothe Adler Orden 4. Klasse“ wird Schiek 1858 vom preußischen König für seine Verdienste im Mikroskopbau verliehen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben 954 Mikroskope die Werkstatt verlassen. Von 1837 bis 1864 werden insgesamt 1340 Instrumente ausgeliefert.

Die Werkstatt zieht 1864 in die Halleschestraße 15 und zwischen 1868 und 1870 weiter ins Nachbarhaus Nr. 14, Rudolf Virchow (Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. Verlag von Georg Reimer; Berlin 1864: 49) empfiehlt in jenem Jahr die einfachen Mikroskope von Schiek für die Trichinenschau und gibt in seinem Werk noch die alte Anschrift des berühmten Optikers Schiek in Berlin an. In den Jahren 1860 bis 1864 bildet Schiek seinen Sohn Friedrich Wilhelm Hermann Schieck [sic!] aus, der die Werkstatt schließlich 1865 übernimmt. F.W. Schieck spezialisiert sich auf die Weiterentwicklung handlicher und zugleich leistungsstarker Trichinen- und Reisemikroskope. Sein Vater stirbt 1870.

Über die weitere Geschichte von „F.W.Schieck Berlin“, siehe die Diskussionen späterer Instrumente der Firma auf diesen Seiten!

Über das Exponat

Über dieses Exponat

Dieses Mikroskop kann im Februar 2008 für die Sammlung aus Helsinki erworben werden. Der Verkäufer gibt an, das Mikroskop im Sommer 1999 auf dem Flohmarkt Hietalahden kirpputori in Helsinki von einer ungefähr 75 jährigen Dame erworben zu haben.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

Collection of Historical Scientific Instruments at Harvard University, USA: „drum compound microscope“, signiert auf der Hülse des Tubus: „Schiek in Berlin. / No. 252“, Inventory Number 1121a sowie Referenz 25, 128; viele der Daten zu F.W. Schiek mit freundlicher Unterstützung von Hans Weil, Berlin; dieses Mikroskop wird kostenfrei zur Verfügung gestellt als Exponat für die Ausstellung Humboldt Universität zu Berlin: WeltWissen – 300 Jahre Wissenschaften in Berlin. 24. September – 9. Januar 2011

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.