Vergleichsmikroskop

Wilhelm und Heinrich Seibert Wetzlar

Erstes Vergleichsmikroskop; gefertigt 1913.

Dieses Mikroskop ist gefertigt aus zaponiertem und geschwärztem sowie schwarz lackiertem Messing. Es verfügt über einen gespreizten Fuß, der das Mikroskop auch in 90° umgelengten Zustand sicher trägt.

An der Tischplatte ist ein Paar Beleuchtungsapparate mit jeweils dreh- und schwenkbarem Spiegel, Irisblende und Kondensor in Schiebehülse angebracht. Die grobe Einstellung erfolgt über einen Trieb mit seitlichen Rändelrädern, die Feineinstellung an der Säule.

An der Tubusbrücke ist das Tubuspaar befestigt – für Korrekturen bei unterschiedlichen Präparatdicken kann jede Tubuslänge über der Objektivaufnahme mit einer großen radial den Tubus umfassenden Schraube nachgestellt werden.

Das Mikroskop trägt dem Beobachter zugewandt seine Signatur auf der Abdeckung der Brücke:

Seibert Wetzlar
15368

In der Schublade des Kastens ist die Seriennummer eingestanzt: Nr. 15368. In diesem Fach mit Elfenbeinknauf ist neben dem Zylinderlochblendenpaar und dessen zugehörigen Einsätzen die ebenfalls mit der Seriennummer versehene Vergrößerungstabelle zu finden, sowie ein Pappdöschen W. & H. Seibert Wetzlar: Blaue Gläser u. Dunkelfeldblenden. In den Ring unter den Irislenden zu legen.

An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop

neben dem Kondensorpaar mit Irisblenden über je ein Objektivpaar Seibert NO 1, Seibert NO 3, und Seibert NO 5 sowie das Seibert-Okular Nr. 1 und die weiteren Seibert Okulare Nr. 3, Periskop 10x und das Okular Ernst Leitz Wetzlar 6x.

Das Mikroskop ist demnach in allen Teilen noch in der Originalausstattung bewahrt.

Im Preis-Verzeichnis der Mikroskope und mikroskopischen Hilfs-Apparate

von W. & H. Seibert Optisches Institut G.m.b.H., Nr. 39 aus dem Jahre 1915 erscheint dieses Mikroskop als:

Nr. 29 Vergleichsmikroskop nach Thörner (gesetzl. geschützt). Das selbe ist, wie aus Abbildung Fig. 25 ersichtlich, eine Zusammensetzung von 2 Mikroskopen auf einem gemeinsamen Stativ mit Triebwerk für Einstellung und Mikrometerschraube. Um den Unterschied in der Einstellung, der bei der Anwendung verschieden dicker Objektträger entsteht, auszugleichen, befindet sich am unteren Ende des Tubus eine besonders feine Schraubvorrichtung. Die Bilder zweier Objekte werden durch Prismen in einem Okular vereinigt und so zugleich dem Auge sichtbar gemacht. Das Gesichstfeld erscheint in zwei Hälften getrennt, in der einen entsteht das Bild des einen, in der anderen das des zweiten Objekts. Beide können so ohne weiteres verglichen werden, z.B. gesunde und kranke Organe, echte und gefälschte Substanzen etc.
Preis mit Schrank … 250 Mk.

Für die optische Ausrüstung sind immer 2 Objektive derselben Art erforderlich, ebenso 2 Beleuchtungs-Apparate etc., falls diese hinzugenommen werden. Dagegen ist nur ein Okular von jeder Art nötig.

No. 47 Mittlerer Abbe’scher Beleuchtungsapparat […] Schiefe Beleuchtung erzielt man durch seitliche Spiegelstellung. Unter der Irisblende befindet sich ein ausklappbarer Ring zur Aufnahme einer blauen oder matten Glasscheibe und Dunkelfeldblende.
Preis einschließlich großer Irisblende … 30 Mk.

No. 48 Derselbe Beleuchtungsapparat ohne Schraubenvorrichtung zum Heben und Senken … 20 Mk.

Aus der Tabelle der Achromatischen Objektive ist zu entnehmen:

ObjektiveBrennweite der äquivalenten Linse in mmNumerische AperturÖffnungswinkel in LuftDurchmesser des Sehfeldes,
gemessen mit Okular 1,
Tubuslänge 170 mm
Preis in Mark
Nr. 125,40,2225°3,6 mm18
Nr. 38,50,3540°1,5 mm18
Nr. 54,20,85116°0,5 mm30

Das Huyghens’sche Okular Nr.1 kostet 5 Mark.

Danach beläuft sich der Preis für das hier gezeigte Mikroskop im Jahre 1915 auf 427.- Mark.

Die Idee eines Vergleichsmikroskops taucht erstmals 1885 im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie (Jg 1885, Bd. II, S.94 ff.) auf. Alexander von Inostranzeff beschreibt hier im Mai 1885 als ersten Versuch einen Aufbau von zwei nebeneinander stehenden Mikroskopen, von denen eines eine Camera lucida von Hartnack aus Potsdam trägt, mit einem die Hälfte des Gesichtsfeldes abblendenen Diaphragma, während im Tubus des anderen eine ebensolche Blende die entsprechende andere Hälfte des Gesichtsfeldes ausblendet. Als wesentlichen Nachteil wird bei dieser Anordnung die Schwächung des einen Halbbildes durch die Camera lucida identifiziert – die zu vergleichenden Objekte erscheinen demnach nicht in gleicher Helligkeit. Daher schlägt der russische Wissenschaftler den Bau einer „Vergleichskammer“ vor, die vom Universitätsmechanikus H. Frantzen in St.Petersburg als Prototyp zur Ausführung kommt. Zwei Prismenpaare stellen hier im Okular die Bilder beider Objekte gegenüber.

ine weitere Konstruktion eines Vergleichsokulars wird von Carl Reichert Wien nach Angaben von Henri van Heurck Antwerpen im Jahre 1887 als Einzelanfertigung ausgeführt. Hier können zwei Umlenkprismen gegeneinander verschoben werden, um so den im Okular gemeinsam gezeigten Bildausschnitt gegeneinander zu variieren.
Beide Vorschläge werden von den führenden optischen Werkstätten der Zeit nicht weiter verfolgt.

Erst 1911 wird nach den Vorschlägen des Osnabrücker Chemikers Wilhelm Thörner ein eigenes Vergleichsmikroskop gebaut.

Dieser Urtyp des Vergleichmikroskops entsteht in der Werkstätte von W. & H. Seibert in Wetzlar. Thörner stellt das Instrument in zwei Publikationen vor, sowohl in der Medizinischen Wochenschrift (Jg. LIX, 1912, No.30, S. 1664 ff.) als auch im Mikrokosmos (Jg. 6, 1912/13, S.123 ff.); S.E.Wychgram diskutiert ebenfalls in 1912 diese Konstruktion in der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie (Jg. 29, 1912, S. 367 ff.). Nach dem Prinzip Inostranzeffs werden die Bilder zweier getrennt beleuchteter und von getrennten Objektiven abgebildeten Objekte in einer Okularbrücke über zwei Prismenpaare so gegenübergestellt, dass jedes je die Hälfte des Gesichtsfeldes belegt.

Um diesem Mikroskop eine weite Verbreitung zu garantieren, wird über eine Rändelschraube an der Okularbrücke die Möglichkeit gegeben, die zentralen Prismen auf einer Schiene im Innern der Brücke derart zu verschieben, dass statt die Objekte gemeinsam auf je einer Bildhälfte zu zeigen alternativ auch jeweils das Bild nur eines der Objekte das Gesichtsfeld in voller Größe einnehmen kann. So ist bei diesem Urtyp des Vergleichsmikroskops die Option auf Verwendung als reguläres Mikroskop gewährleistet. Auf die Gesamtkonstruktion wird ein Gebrauchsmusterschutz erteilt (D.R.G.M.).

Als Lebensmittelchemiker hebt Thörner die sich mit diesem Instrument ergebenden verschiedenen Möglichkeiten für die Untersuchung von Nahrungsmitteln hervor. Thörner entwickelt darüber hinaus die Ideen des Mineralogen Inostranzeff weiter und sieht die Möglichkeit eines von zwei Präparaten des selben Mediums mit polarisiertem Licht zu beleuchten und über das Okular einen Aufsatzanalysator zu setzen um so eine direkte Gegenüberstellung der Bilder eines Mediums mit und ohne Polaristionseffekten zeigen zu können.

Im Katalog der Mikroskope und mikroskopischen Hilfs-Apparate der Firma W. & H. Seibert aus dem Jahre 1915 erscheint jenes Mikroskop in allen Details wie von Thörner beschrieben, entbehrt jedoch das Verschieben der zentralen Prismen gänzlich (siehe oben).

Die Idee des Vergleichsmikroskops

wird von C. Metz bei der Firma Ernst Leitz in Wetzlar aufgegriffen und es wird 1913 ein Doppelmikroskop für vergleichende Mikroskopie vorgestellt, allerdings ohne die Vereinigung der Bilder in einem einzigen Okular. 1922 folgt in Anlehnung an das Prinzip Inostranzeffs bei Leitz die Vorstellung eines eigenen Vergleichsmikroskops nach Metz. Carl Reichert Wien und Carl Zeiss Jena bieten statt Vergleichsmikroskopen Vergleichsokulare an.

Über Wilhelm und Heinrich Seibert

seibert_wilhelm_xseibert_heinrich_xWilhelm (1840 – 1925) und Heinrich (1842 – 1907) Seibert

gehen beide bei Carl Kellner, mit dem sie über ihre Mutter verwandt sind, und dessen Nachfolger Friedrich Belhtle in die Lehre. Sie arbeiten zusammen Ende der 1850er für Ernst Gundlach, ein Optiker der seinerseits sowohl bei Edmund Hartnack als auch bei Belthle gearbeitet hat. Gundlachs Unternehmen geht jedoch schon nach einem Jahr ein.

Nachdem die Brüder Erfahrung in anderen Betrieben gesammelt haben, arbeiten beide später wieder für Belthle in Heimarbeit. Schließlich beliefern sie ausschließlich Gundlachs neue Firma in Berlin. Als jener in Zahlungsschwierigkeiten kommt, machen sie sich 1872 mit dem Wetzlarer Kaufmann Georg Krafft selbständig. Im selben Jahr kaufen sie Gundlachs Werkstätte auf und verlegen sie 1873 nach Wetzlar.

1884 wird Krafft ausbezahlt und das Unternehmen in „W. & H. Seibert“ umbenannt. Die Gebrüder Seibert streben in Ihrer Arbeit auch danach stets an, das Mikroskop in Einzelanfertigung zum Kunstwerk zu erheben.

Im Jahr 1900 wird das Seibert-Mikroskop Nr. 10 000 hergestellt.

Weltruhm erlangt die Firma durch die Verbindung mit Robert Koch, der 1877 mit einem Seibert-Mikroskop (mit mikrofotografischer Einrichtung, Photoobjektiven und Immersionsobjektiven) seine berühmten „Bakterien-Photogramme“ des Milzbrand-Bakteriums erstellt. Im Jahre 1878 liefert die Firma Seibert wieder ein Mikroskop samt Ölimmersion an Robert Koch nach Wollstein, der dieses Instrument zur Erforschung der Wundinfektionskrankheiten benutzt. Während Robert Koch in der Empfangsbestätigung aus dem Februar 1877 die Seibert’schen Produkte lobt, schreibt er ein Jahr später in einem persönlichen Brief an die Firmeninhaber, ihm seien mit dem Seibert-Instrumentarium „nicht unwichtige Entdeckungen“ gelungen.

Über das Exponat

Im Frühjahr 2005 kann dieses Mikroskop aus Stockholm, Schweden für die Sammlung gewonnen werden.

(Vermittlung des Mikroskops mit idealistischer Hilfe von Carl Staffan Folcker, ihm sei hier nochmals herzlich gedankt!)

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

neben den im Text erwähnten Quellen Referenz 87 und The Microscope Collection at the Science Museum London: „Comparison Microscope by Seibert“, signiert „Seibert / Wetzlar / 15041“, Inventory No. A1982-969 (ein Schild am Kasten verweist auf den ursprünglichen Eigentümer: „Vereinigte Lausitzer Glaswerke A.G. / Abt.: Warmbrunn, Quilitz & Co / BERLIN“)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.