Kleinstes Mikroskop

von Friedrich Belthle in Wetzlar

Frühes kleines Belthle Mikroskop; Stativ 4b von 1864.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Die Grobeinstellung erfolgt über eine Schiebehülse. Zur Feineinstellung dient ein Mohl’scher Tisch bei dem durch eine Rändelschraube die Tischplatte seitlich angehoben und damit um einen kleinen Winkel verkippt wird.

Der Hohlspiegel ist am runden Fuß befestigt und zweifach gelagert; unter der Tischplatte befindet sich eine Revolverlochblendenscheibe mit vier Aperturen.

Auf dem Tubusträger befindet sich die eingeschlagene Signatur:

C. Kellner’s Nach.
Fr. Belthle
in
Wetzlar.
No. 594.

Wie auch schon die Mikroskope von Carl Kellner verfügt dieses kleine Mikroskop über eine Kompensationsschraube zur Nachstellung der Ganggenauigkeit der Feineinstellung. Bei deutschen Mikroskopen ist diese sehr zweckmäßige mechanische Besonderheit in den späten 1850ern bis zum Ende der 1860er nur bei den Mikroskopen aus dem Umfeld von Carl Kellner und Moritz Hensoldt zu finden.

Bei diesem kleinsten Stativ aus der Werkstatt Belthles

handelt es sich offenbar um eine Neukonstruktion aus dessen Hand. Ernst Leitz, dem die Konstruktion dieses Mikroskopstativs in der Literatur auch zugeschrieben wird, tritt erst nach Fertigstellung des hier gezeigten Mikroskops im Alter von 21 Jahren Anfang 1864 in das Unternehmen ein, von welchem er am 7. Oktober 1865 Teilhaber wird.

Ausgestattet ist das Instrument mit dem Objektiv Fr. Belthle 2 und dem Okular I, dessen Hülse noch original zaponiert ist.

Nach dem Auslieferungsbuch des optischen Instituts wird dieses Mikroskop zusammen mit eine System Nr.2, einem Mikrometer und einem Okular Nr. III am 23.02.1864 an die Firma M. Tauber in Leipzig geliefert. Es werden dafür zusammen 45,10 Taler berechnet, wobei 10% Rabatt eingeräumt werden.

Dieses Mikroskop stellt das kleinste von drei angebotenen Stativtypen

aus der Werkstatt Fr. Belthle (C. Kellner’s Nachfolger) dar. Ein bis auf die Spiegel- und die Tubushalterung identisches Stativ wird von Leopold Dippel (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil. Friedrich Viweg und Sohn, Braunschweig 1867: 151) beschrieben als:

Das kleinste Mikroskop (Nr.4a), Fig. 109, hat gleichfalls einen runden Fuss, welcher die Säule trägt, an welcher Spiegel, Objecttisch und Rohr befestigt. Die grobe Einstellung geschieht wie bei dem vorigen Instrumente, die feine ist an dem Objecttische angebracht, in dem sich über eine fest mit der Säule verbundenen Platte eine zweite befindet, welche (nach Mohl) an der einen Seite festgeschraubt, an der entgegengesetzten sich heben und senken lässt.

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Obwohl durch diese Art der Einstellung die Tischfläche etwas geneigt wird, so hat dies doch für die Vergrößerungen, welche bei diesem kleinen Mikroskope in Anwendung kommen, keinen erheblichen Nachtheil, wie ich mich bei diesem und anderen ähnlich eingerichteten Instrumenten zu überzeugen Gelegenheit hatte. Mit den Objectivsystemen 1 und 3 und den beiden Ocularen I. und II. ausgerüstet kostet dieses kleinste Mikroskop 35 Thlr., in etwas modificirter mechanischer Ausführung (Nr.46) 25 Thlr.

Im Jahre 1863 erscheint im „Preis-Verzeichniss der optischen Instrumente des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts Nachfolger F. Belthle“:

4a. Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgl. durch Mikrometerschraube. – Spiegel für schiefe Beleuchtung . – Okular I und II, und System 1 und 3. Vergrösserungen von 60 – 500…35 Thlr.

4b. Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgl. durch Mikrometerschraube. – Spiegel für schiefe Beleuchtung . – Okular I und II, und System 1 und 3. Vergrösserungen von 60 – 500…25 Thlr.

Nach der Tabelle zu den Vergrößerungen, bezogen auf 8 Zoll Sehweite, erzielt die hier gezeigte Optik eine lineare Vergrößerung von 145-fach, bei einer Entfernung von 1,8 mm zwischen dem unteren Ende des Objektivs und dem oberen Ende des Deckglases.

8. System 2….12 Thlr.

15. Gewöhnliche Okulare I, II und III … 5 Thlr.

Offenbar enthält obige Preisliste einen Druckfehler, Stativ 4a und 4b unterscheiden sich in allen anderen Listen durch die Spiegelhalterung. So heißt es im Preis-Courant der optischen Instrumente des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Institutes. Nachfolger Fr. Belthle, Optiker und Mechaniker aus dem Jahre 1865 (Heinrich Frey: Das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Verlag von Wilhelm Engelmann; Leipzig 1865: 383):

4b. Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgleichen durch Mikrometerschraube am Tisch. – Spiegel für auffallendes Licht . – Okular I. und II. System 1. und 3. Vergrösserungen von 60, 100, 300 – 500. Bei diesem Mikroskop sind die einfacheren Systeme, wie diese bisher beigegeben wurden…25 Thlr.

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Über Carl Kellner

carl_kellner_portraitCarl Kellner (26.03.1826 – 13.05.1855)

gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden. Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod. Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 – 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma „Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)“ stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert. Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter anderem Ernst Gundlach sowie Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder – im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Ernst Leitz tritt Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus „am reformierten Treppchen“ befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert.

Über das Exponat

Dieses Mikroskop taucht im Frühjahr 2005 im Handel auf – leider ist der ursprüngliche Besitzer nicht mehr feststellbar. Anfang Januar 2006 findet Pierre van de Walle auf einem Flohmarkt in Brüssel den originalen Kasten von Belthle für ein identisches Mikroskop-Stativ aus der selben Zeit, zusammen mit einem Objektiv Fr. Belthle 3 und einem zweiten Okular I. Um dem hier gezeigten Mikroskop wieder ein Zuhause zu geben, überlässt Pierre van de Walle jenen Kasten samt Optiken idealistischer Weise kostenfrei dieser Sammlung.

Referenzen und Vergleiche

Referenz

Referenz 4, 5, 34, 56, 74, 97; sowie für ein auch in der Spiegelalterung identisches Stativ: Hessisches Landesmuseum Darmstadt: „Kleines Mikroskop von Belthle“, signiert „C. Kellners Nachfolger Fr. Belthle in Wetzlar Nr. 955“ Inv.Nr. Ph. C. 67/2

(Finanziert wird der Ankauf dieses Mikroskops durch freundschaftliche Unterstützung von Roman Truckenmüller mit einem zinslosen Kredit; Datierung mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Archiv Leica Microsystems GmbH, 17.10.2006)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.