Kleines Mikroskop

von Fr. Belthle in Wetzlar

Kleines Belthle Mikroskop; Stativ 3 von 1865.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Der grobe Fokus des Instrumentes wird durch einen Schiebetubus erreicht, die Feineinstellung durch einen Prismentrieb, dessen Rändelrad mit der Hand bequem auf dem Tisch liegend bedient werden kann.

Der Hohlspiegel ist auf einer Gabel auf dem runden Fuß befestigt und dreifach gelagert; das vierte Lager stellt die mittlere Säule selbst dar, denn das Mikroskop läßt sich um die optische Achse drehen. Unter der Tischplatte befindet sich eine Revolverlochblendenscheibe mit vier runden und einer schlitzförmigen Apertur.

Auf dem Tubusträger befindet sich die eingeschlagene Signatur:

C. Kellner’s
Nachfolger

Fr. Belthle
in Wetzlar. No 703.

Wie auch schon die Mikroskope von Carl Kellner verfügt dieses Mikroskop über eine Kompensationsschraube zur Nachstellung der Ganggenauigkeit der Feineinstellung. Bei deutschen Mikroskopen ist diese sehr zweckmäßige mechanische Besonderheit in den späten 1850ern bis zum Ende der 1860er nur bei den Mikroskopen aus dem Umfeld von Carl Kellner und Moritz Hensoldt zu finden.

Ausgestattet ist das Instrument mit den Objektiven F. B. 0 (leider delaminiert), Fr. Belthle 1 und Fr. Belthle 3 sowie den Okularen I, II und III. Mit abgenommenem Tubus wird das Mikroskop liegend im Holzkasten untergebracht.

Im Jahre 1863 erscheint im Preis-Verzeichniss der optischen Instrumente

des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts Nachfolger F. Belthle (Heinrich Frey: Das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Verlag von Wilhelm Engelmann; Leipzig 1863: 457) das hier gezeigte Mikroskop noch in der Ausführung mit nur zwei Okularen:

3. Kleines Mikroskop.

Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgl. durch Mikrometerschraube. – Spiegel für schiefe Beleuchtung . – Okular I und III und System 0, 1 und 3. Vergrösserungen von 25- 700…50 Thlr.

Ein identisches Stativ wird von Leopold Dippel (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil. Friedrich Viweg und Sohn, Braunschweig 1867: 150-151) beschrieben als:

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Das kleine Stativ*),

Nr. 3 des Verzeichnisses, Fig. 108, hat einen runden Fuss a, von welchem der solide Cylinder b aufsteigt, auf dem der Körper des Mikroskopes ruht. Dieser ist an dem horizontalen Arm cc befestigt, welcher ringförmig endigt und sich um den mittleren soliden Theil des Cylinders b dreht, auf welchem der Spiegel l ruht, so dass der Tisch um die optische Achse gedreht werden kann, während der Beleuchtungsapparat feststeht. Der etwa 65 mm im Durchmesser haltende Objecttisch ist rund, hinreichend gross und fest. Die Einrichtung zur feinen Einstellung ist der der grossen Statives ähnlich, indem mittelst der Stellschraube i die dreikantige Stahlstange e in der Säule d gehoben und gesenkt wird. Die grobe Einstellung wird dagegen mittelst Verschiebung des Rohres h in der an dem Arm f befestigten federnden Hülse g bewerkstelligt.

Unter den kleinen Stativen nimmt dieses den ersten Rang ein, indem mit Einfachheit im ganzen Bau doch grosse Zweckmässigkeit und Vollendung verbunden ist. Mit den Objectivsystemen 0, 1 und 3 und den gewöhnlichen Ocularen I., II. und III. beträgt dessen Preis 50 Thlr., eine Summe, die im Verhältnis zu den Leistungen des Instrumentes durchaus nicht hoch genannte werden darf.

*) In der neuesten Zeit hat dieses Stativ einen ähnlichen Fuss erhalten, wie das grosse.

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Über Carl Kellner

carl_kellner_portraitCarl Kellner (26.03.1826 – 13.05.1855)

gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden. Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod. Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 – 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma „Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)“ stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert. Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter anderem Ernst Gundlach sowie Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder – im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Ernst Leitz tritt Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus „am reformierten Treppchen“ befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert.

Über das Exponat

Dieses Mikroskop kann im September 2010 aus Ohio über Allan Wissner für die Sammler erworben werden. Leider kann der private Verkäufer keine Angaben mehr über den ursprünglichen Benutzer liefern.

Im Auslieferungsbuch des optischen Instituts, heute im Archiv der Leica Microsystems GmbH ist dieses Mikroskop nicht zu finden. Mit Datum vom 31.12.1864 endet ein Geschäftsbuch mit der Seriennummer 689, das nächste erhaltene Geschäftsbuch beginnt am 08.10.1865 mit der Seriennummer 746.

In einem Fach des Kastens befindet sich eine Schachtel für Deckgläser, sie trägt den Schriftzug: Aug. Deckert / Stuttgart.

Ferner ist eine Vergrößerungstabelle datiert auf den März 1918 im Kasten angebracht – offenbar blickt dieses Mikroskop auf einen Einsatz von mehr als 50 Jahren zurück.

Referenzen und Vergleiche

Referenz

Referenz 4, 5, 34, 56, 74, 97

(Vermittlung des Instruments mit idealistischer Unterstützung von Allan Wissner, September 2010. Datierung mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Archiv Leica Microsystems GmbH, 02.11.2010)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.