Trichinenmikroskop

A. Krüss Hamburg

Krüss-Mikroskop; um 1865.

Ungewöhnliches Stativ aus dunkel zaponiertem und geschwärztem Messing, dunkelgrün lackiertem Eisen, gebläutem Stahl.

Das Instrument verfügt über einen Auszugstubus, eine Lochblendenrevolverscheibe sowie einen dreh- und schwenkbarer Konkavspiegel. Die grobe Einstellung erfolgt über den Schiebetubus, der Feinfokus wird durch eine in einer Federhülse geführte Rändelschraube seitlich am Tisch ermöglicht. Diese Feineinstellung kann bequem mit neben dem Stativ liegender Hand bedient werden; durch einen Stift wird die Tischplatte parallel geführt und ohne Schiefstellung des Objektes gehoben – im Gegensatz zu den sonst in jener Zeit weit verbreiteten Feineinstellungen über Schraubentriebe unter der Tischplatte.

Auf dem Tubus ist das Mikroskop sehr dekorativ in deutscher Schreibschrift signiert:

No 1592.
A.Krüss.
Hamburg.

Das Instrument ist mit zwei dreifachen Satzobjektiven und zwei Okularen ausgestattet.

Die einzelnen Linsen sind in breiten Ringen gefasst und dort mit kleinen Schlagzahlen nummeriert – lineare Vergrößerungen bis 520-fach sind damit möglich.

Ferner befindet sich in der Schubade des sehr sorgfältig gefügten Mahagonikastens das originale Präparationsset aus zaponierter Messingpinzette, zwei Präpariernadeln und einem Skalpell mit polierten Holzgriffen. Auch dieses Zubehör zeigt praktisch keine Spuren von Verwendung oder gar Verschleiß. Im Fach unter diesem Präparierbesteck kann ein altes Trichinendauerpräparat gefunden werden.

Dieses äußerst gut erhaltene Mikroskop stammt aus dem Nachlaß von Dr.med. Georg Sauermann, welcher ab den 1860ern als Arzt in Hamburg-Wandsbek tätig war.

In einer Werbung der Firma Krüss in „Über Land und Meer“, 1861 heißt es:

Die Mikroskope von A. Krüß, Optiker u. Mechaniker in Hamburg, die sich bekanntlich durch Schärfe und Helligkeit auszeichnen und seit längerer Zeit die besondere Anerkennung der ersten Sachkenner, worunter die des Herrn Hofraths Professor Dr. R. Wagner in Göttingen [seinerseits als Nachfolger Blumenbachs an der Universität Göttingen Kunde von F.W.Schiek Berlin; Anmerkung des Verfassers] , gefunden, haben in neuerer Zeit eine wesentliche Verbesserung in der Art erfahren, daß selbige mit einer Einrichtung zu der in vielen Fällen so wünschenswerthen schrägen Beleuchtung der Objekte versehen wurden. – Die von diesen Instrumenten am meisten verlangten Sorten sind:

Achromatische Mikroskope mit 300maliger Vergrößerung: 1 Ocular= und 1 Linsensatz 30 Thlr.
Dieselben mit 520maliger Vergrößerung: 2 Ocular= und 2 Linsensätze 36 Thlr.
Vorstehende, mit Polarisationsapparat versehen, 6 Thlr. mehr.
Die Preise sind in preuß. Courant gegen baare Zahlung.

Die Firma A. Krüss Hamburg dürfte wohl eine der ältesten noch in Familienbesitz befindlichen optisch-mechanischen Werkstätten Deutschlands sein.

Edmund Gabory wird in Straßburg (Elsaß) geboren und geht als Schüler beziehungsweise Mitarbeiter von Ramsden (seinerseits ein Schüler Dollonds) nach London. Bereits in London-Holborn macht sich Gabory 1790 selbständig, übersiedelt aber mit seiner Familie 1796 nach Hamburg um dort eine Werkstätte als Opticus und Mechanicus zu eröffnen. An der Neuenburg Nr. 14 werden optische, mechanische und frühe elektrische Instrumente hergestellt und verkauft – der Giebel des Hauses dient dabei als privates Observatorium. In seiner Freizeit hält der Firmeninhaber öffentlich wissenschaftliche Vorträge zur Optik und Elektrizität.

Während der Besetzung Hamburgs durch Napoleon 1811 darf Gabory sein Geschäft zwar weiter betreiben, alle englischen Waren werden jedoch verbrannt und die besten Fernrohre von den Besatzern für eigene Zwecke beschlagnahmt.

Ende 1813 erliegt Edmund Gabory den Spätfolgen einer Verletzung, die er sich während seiner Arbeiten zugezogen hat. Seine Kinder Edmund Nicolas und Mary Ann führen daraufhin das optische Geschäft weiter.

Mary Ann heiratet 1823 Andres Krüss,

welcher die Werkstätte nun mit seinem Schwager gemeinsam weiterführt.

Edmund Krüss; Referenz 61Andres Krüss wird 1791 auf Helgoland geboren und ist 1806 bei einem der Hamburger Kaufleute beschäftigt, die während der Kontinentalsperre ihre Geschäfte von der kleinen Hochseeinsel aus betreiben. Als Blockadebrecher ist er schon in diesem jungen Alter erfolgreich und zieht schließlich 1814 nach Hamburg. Hier wird er 1823 Bürger. Während nach dem Tod seines Schwiegervaters die Selbstanfertigung von Instrumenten zunehmend zurückgegangen ist, lebt diese mit Andres Krüss wieder auf. Es werden alle von Seefahrern benutzten Instrumente sowie zugehörige Karten verkauft. Das umfangreiche optische Lager bringt einen florierenden Handel nach Skandinavien und auch Übersee mit sich. Edmund Krüss, der älteste Sohn von Andres Krüss wird von seinem Vater im Frühjahr 1841 im Alter von 17 Jahren nach Stuttgart zum Hofoptiker und Mechaniker Geiger in die Lehre geschickt. Im Anschluss daran besucht Edmund Krüss das Stuttgarter Technikum.

Während des großen Brandes in Hamburg 1842 wird auch das Haus Neue Burg 4 ein Raub der Flammen. Ausser etwas Bargeld und etwa 20% der Waren kann Andres Krüss nur wenig vor dem Feuer retten. In der Kleinen Reichenstraße wird das Geschäft neu eröffnet; nach dem Heranwachsen der beiden Söhne der Teilhaber trennen sich die Geschäftspartner jedoch 1844 und Andres Krüss eröffnet das Optische Institut A. Krüss am 11.11.1844 am Alten Wall. Das Aufblühen seiner jungen Firma erlebt Andres Krüss leider nur bis er im Revolutionsjahr 1848 einer Cholera-Epidemie zum Opfer fällt. Seine Witwe führt das Geschäft nun weiter, übergibt es schließlich 1851 an ihre Söhne Edmund und William.

Edmund Krüss kauft im selben Jahr das Haus Adolphsbrücke 7

und fertigt dort verschiedenste mechanische Erzeugnisse. 1859 schließlich wird eine Linsenschleiferei eingerichtet, in der anfangs insbesondere photographische Objektive nach Berechnungen von Prof. Josef Petzval hergestellt werden. Projektionsapparte werden sehr erfolgreich mit in das Programm aufgenommen, 1865 läßt sich A. Krüss die Laterna Magica patentieren.

Während einfache Mikroskope schon ein paar Jahre produziert werden, wird Mitte der 1860er ein besonders Trichinen-Mikroskop konstruiert. Der Firmeninhaber Edmund Krüss selbst beschäftigt sich auch selbst viel mit der Untersuchung trichinenhaltigen Fleisches und sich hieraus ergebende Vorschriften werden in der Hamburger Tageszeitung veröffentlicht.

Schließlich werden neben Lokomotivmodellen auch kleine Dampfboote um 1860 mit ins Fertigungsprogramm genommen.

William Krüss tritt 1874 aus dem Geschäft aus, Dr. Hugo Krüss wird daraufhin 1876 von seinem Vater Edmund Krüss mit in die Firma aufgenommen.

Hugo Krüss war nach einer technisch-mathematischen Ausbildung bei Dennert & Pape Hamburg in die Lehre der optisch-astronomischen Werkstatt C.A. Steinheil Söhne München gegangen – hier schloß sich der Besuch des Polytechnikums und später der Universität München an.

Als 1886 Alfred Gabory, der Schwager von Edmund Krüss, sein optisches Geschäft aufgibt, übernimmt die Firma Krüss dessen Lager. So werden die 1844 getrennten Werkstätten wieder vereint. 1888 schließlich wird der passionierte Naturforscher Hugo Krüss Chef der Firma seines Vaters, durch ihn konzentriert sich das Unternehmen nun auch auf die Fertigung von photometrischen und spektroskopischen Apparaten. Sein Sohn, Dr. Paul Krüss tritt nach seiner Assistentenzeit an der Universität Jena 1904 in das Geschäft ein. Paul Krüss heiratet 1906 die Tochter von Dr. Max Pauly, dem Leiter und Mitbegründer der Astro-Abteilung von Carl Zeiss Jena. Im Jahre 1920 übernimmt jener Paul Krüss die Hamburger Firma und beteiligt 1946 seinen Sohn Andres Krüss. Mikroskope verschwinden nach dem II. Weltkrieg aus dem Programm, werden aber Ende des 20. Jahrhunderts wieder angeboten. Seit 1980 führt in siebter Generation Martina Krüss-Leibrock das Familienunternehmen. 2005 tritt ihre Tochter Karin Leibrock als achte Generation in die Geschäftsleitung ein.

[Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum Wien: „Zusammengesetztes Mikroskop, Trommelmikroskop um 1863 / Signatur: A. Krüss, Hamburg, No. 199“, Museal-Nr. 25.949 und „Zusammengesetztes Mikroskop, Trommelmikroskop um 1865 / Signatur: A. Krüss, Hamburg, No. 247“, Museal-Nr. 32.047]

Referenzen und Vergleiche

Referenz

61 – sowie Webpage der Firma A.Krüss Optronic GmbH. Abbildung der Anzeige von Krüss aus dem Jahre 1861 mit freundlicher Unterstützung von Jürgen Mollenhauer, Köln

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.