Großes petrografisches Mikroskop

nach Wülfing von Winkel-Zeiss Göttingen

Großes petrografisches Forschungsmikroskop nach Wülfing von Winkel-Zeiss aus dem Jahre 1925.

Bei diesem Mikroskop handelt es sich um das größte Modell eines Polarisationsmikroskops dieses Herstellers. Es verfügt über einen teilweise geöffneten Tubus mit über Zahn und Trieb im Fokus nachzustellender Bertrandlinse und einen weiteren graduierten Innentubus.

Eine Stange verbindet Polarisator und Analysator, so dass eine synchrone Drehung der Nicolprismen ermöglicht wird.

Die Okularhöhe des Instruments hat in Fokusstellung und mit gänzlich eingefahrenem Innentubus eine Gesamthöhe von 360 mm.

Auf dem Tubus befindet sich die Signatur:

Winkel-Zeiss
Göttingen
Nr.28345

Das Schwestermikroskop der Seriennummer 28349 ist in verschiedenen Druckschriften von Winkel-Zeiss abgebildet, die früheste bekannte ist auf den 1. August 1925 datiert.

Der Tisch des Mikroskops lässt sich über sowohl rasch per Hand drehen,

als auch über einen einschaltbaren Schneckentrieb sehr fein für genaue Messungen der Drehung regulieren – zu deren Bestimmung sind zwei Nonien für die Drehung angebracht. Die Mechanik des Kreuztisches ist komplett gekapselt.

Der Beleuchtungsapparat mit einer einklappbaren zweiten Kondensorlinse und einem Polarisator mit quadratischem Aperturquerschnitt und 20 mm Kantenlänge kann über einen Schneckentrieb abgefahren werden.

Als verbesserte Konstruktion

wird das Instrument im Katalog R.Winkel G.m.b.H.: „Mikroskope Polarisationsapparate Zubehör“ (September 1930) angeboten als:

Großes mineralogisches Mikroskop VIM

nach E.A. Wülfing.

Stativ VIM, Fig.1, mit Telan-Linsen und vierfachem Zentrierrevolver, großem Kreuztisch mit Feinbewegung, einschl. Beleuchtungsapparat num. Ap. 1,4, Einrichtung zur synchronen Drehung der Nicols, Gauß’schem Spiegelglas, Diaphragma nach G.W. Grabham und Schrank RM. 1652.-

Der große vierfache Objektivrevolver verfügt über eine Einzelzentrierung der Objektivaufnahmen.

Das hier gezeigte Instrument ist ausgestattet mit dem Okular Winkel-Zeiss Göttingen Compens. Ocular 2 sowie den Objektiven Winkel-Zeiss Göttingen 3a Nr. 37855, Winkel-Zeiss Göttingen 5a Nr. 37874 und Winkel-Zeiss Göttingen Fluorit 1,8 mm Nr. 37913.

Das sehr große Stativ ist zum Umlegen eingerichtet und derart massiv und aufwändig gestaltet, dass Winkel-Zeiss dieses Instrument auch als Teil einer optischen Bank empfiehlt, zumal bei horizontaler Kippung des Stativs die Höhe der optischen Achse über der Standfläche des Mikroskops 230 mm beträgt. Um die Anwendung des Instruments als Teil einer solchen optischen Bank zu erleichtern, verfügt dieses Gerät als besonderes Kennzeichen über einen in der Höhe verstellbaren Dorn, der mit entsprechendem linsenförmigen Gegenlager an der Säule des Mikroskops eine feine Einstellung des Neigungswinkels des horizontal gekippten Instruments gewährleistet.

Das Mikroskop ist für die Aufnahme auch sehr hoch bauender Nebenapparate geeignet und durch die synchrone Drehung von Polarisator und Analysator besonders für sämtliche Untersuchungen mit dem Fedorow’schen Universaldrehtisch geeignet.

Um diese Anwendung zu illustrieren, wurde für die Sammlung ein vierachsiger Universaldrehtisch UT-4 von Winkel-Zeiss aus den 1930ern angekauft.

Dieser komplexe Nebenapparat trägt die Signatur

Winkel-Zeiss
Göttingen
Nr. 3010

Der Tisch ist ausgestattet mit zwei Segmentpaaren nD = 1,516 und nD = 1,649.

Im bereits zitierten Katalog wird dieser Tisch angeboten als:

Universal-Drehtisch D 4 nach Fedorow, mit 4 Drehachsen, einschl. 2 Paar Kugelsegmenten mit den Brechungsexponenten [sic!] nD = 1,516 und nD = 1,649 und einem Paar Federklemmen, in Behälter, Fig. 48…

Das Ablesen der Drehung der inneren Kippachse erfolgt hier nicht über die Wright’schen Bügel , wie bei den ersten von Winkel-Zeiss angebotenen Universaldrehtischen (und den Tischen von Ernst Leitz Wetzlar). Statt dessen ist ein massiver Konus mit Teilung angebracht – diese gedrungene Form dient der Vermeidung von Beschädigung durch mechanisches Anstoßen.

Besonders interessant am Stativ nach Wülfing ist die ständige Optimierung des Mikroskops.

Die erste Veröffentlichung von E.A. Wülfing zu diesem Mikroskop Ein neues Polarisationsmikroskop und kritische Betrachtungen der bisherigen Konstruktionen als 6. Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Carl Winters Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1918) zeigt das Stativ noch ohne den Dorn am Hufeisen. Das Modell von 1923 hat einen weit größeren integrierten Kreuztisch und den erwähnten Dorn, um das große Mikroskop umgelegt als Teil einer optischen Bank verwenden zu können.

Als verbesserte Konstruktion wird das Instrument in der hier geziegten Version 1925 gebaut

und noch 1929 unverändert als Großes mineralogisches Mikroskop VIM nach E. A. Wülfing angeboten.

Um 1935 schließlich wird ein weiter optimiertes Stativ VI von Winkel-Zeiss angeboten.

Über Rudolf Winkel

winkel_gemaeldeRudolf Winkel

Der am 4. September 1827 als Sohn eines Lehrers in Göttingen geborene Rudolf Winkel wird durch den frühen Tod seines Vaters gezwungen den Besuch des Gymnasiums frühzeitig abzubrechen.

Winkel lernt bei der Hamburger Firma Lipperts Maschinenbauer und erweitert seine handwerklichen Fähigkeiten bei der Eggerstorffschen Maschinenfabrik Hannover. Auf eine Beschäftigung beim Bau feinmechanischer Instrumente im Betrieb von F.W. Breithaupt & Söhne Kassel folgen für Rudolf Winkel mehrjährige Aufenthalte in verschiedenen Werkstätten Thüringens, Böhmens und Österreichs.

Schließlich kehrt Winkel um 1855 nach Göttingen zurück und baut in der Werkstatt von Moritz Meyerstein feinmechanische Instrumente für die Göttinger Universität, er heiratet noch im selben Jahr. 1857 mietet Winkel in der Goethe-Allee Göttingen Räume an, um dort feinmechanische Arbeiten für Breithaupt und die Universität auszuführen.

Der erste Lehrling Winkels wird 1858 F.G. Voigt, der spätere Inhaber von Voigt & Hochgesang.

Als Folge des Krieges 1866 gerät das noch junge Unternehmen in Schwierigkeiten, da die Verbindung nach Kassel abreißt und damit ein wichtiger Kunde verloren geht. Doch eine Trichinose-Epidemie in Süd-Hannover läßt die Nachfrage nach einfachen Mikroskopen durch Rudolf Virchows Publikation 1864 zur mikroskopischen Fleischbeschau sprunghaft steigen und so verläßt im Jahre 1866 das erste Trichinenmikroskop die Winkel’sche Werkstatt.

1870 kommen aus Göttingen die ersten größeren Mikroskope, sie werden von Prof. Listing begutachtet – er vergleicht sie mit den damals sehr renomierten englischen Instrumenten und bescheinigt Winkel eine bessere Qualität seiner Instrumente als jene der Britischen Inseln. Bemerkenswert scheint dies insbesondere vor dem Hintergrund Winkels, der als Autodidakt sogar die von ihm verwendeten Maschinen zur Fertigung der Mikroskope selbst konstruiert und sämtliche Optiken zu dieser Zeit noch „pröbelnd“ optimiert.

Die Winkel’sche Werkstatt zieht 1874 in eigene Räumen: Düstere Eichenweg 9, Ecke Baurat Gerber-Straße in Göttingen – 1872 war der älteste der drei Söhne Winkels als Lehrling in den Berieb eingetreten.

Es wird Rudolf Winkel nachgesagt, er habe jedes Instrument seiner Werkstätte selbst überprüft und ein Mikroskop der geringfügigsten Unebenheit wegen mit dem Hammer zerschlagen, ohne die Möglichkeit zur Behebung des Fehlers nur in Betracht zu ziehen.

Über das Exponat

Im November 2005 kann das Mikroskop für diese Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Bestimmung des Tubus als M VI aus Mitte der 1920er mit freundlicher Unterstützung von Dr. Wolfang Wimmer, Archiv Carl Zeiss Jena 09.01.2006

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.