Zeiss Mikroskop Stativ IIIb

von Friedrich Mühlberg

Zeiss Mikroskop Stativ IIIb von 1871

Mikroskop aus zaponiertem sowie brüniertem Messing und gebläutem Stahl. Das Instrument verfügt über einen Schiebetubus zur groben Fokussierung und ein Rändelrad für die Feineinstellung an der Säule. Die Beleuchtung erfolgt mittels kipp-, dreh- und schwenkbarem Plan- und Konkavspiegel. Die Blendung erfolgt über eine Revolverlochblendenscheibe, deren gewölbte Form ermöglicht einen denkbar geringen Abstand der Aperturblende zum Objekt und ist ein typisches Merkmal der ersten zusammengesetzten Mikroskope von Carl Zeiss Jena.

An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop über die beiden Objektive A und C sowie eines der ersten nummerierten Objektive D Nr. 17. Untergebracht werden die Objektive in einer Lederschatulle. An Okularen verfügt das Mikroskop über die Nummern 1, 2, 3 und 4.

Der Ausschnitt einer gedruckten Vergrösserungtabelle von Zeiss liegt dem Mikroskop bei, sowie eine um genau berechnete Werte ergänzte handschriftliche Tabelle.

Auf der Tischplatte ist das Mikroskop mit Schlagbuchstaben signiert:

774C. Zeiss Jena
1552

Der Seite 100 des Auslieferungsbuchs der Firma Carl Zeiss Jena ist zu entnehmen, dass dieses Stativ IIIb als 774. zusammengesetztes Mikroskop fertiggestellt und am 5. Juli 1871 an Prof. Mühlberg in Arau ausgeliefert wird – mit der hier gezeigten optischen Ausstattung, welche zusätzlich um ein Objektiv A ergänzt wurde.

Im Zeiss-Katalog No. 18. 1871 Mikroskope und Nebenapparate von Carl Zeiss in Jena erscheint dieses Stativ wie folgt:

No. 11. Kleineres zusammengesetztes Mikroskop (Stativ III b); hufeisenförmiger Fuss, das Uebrige wie bei I, nur etwas kleiner; Systeme A, C, D, F; Oculare 1, 2, 3, 4. Vergrösserungen 20 bis 1500. …72 Thaler

[…]

Die verschiedenen Stative, die vorher an den betr. Stellen näher beschrieben sind, werden zu folgenden Preisen notirt:

Stativ0incl. Etuis45Thlr.
I24
Ib32
II18
IIIb15
IIIc22
IV11
V6
Vb715 sgr.

[…]

NB. Die obere Linse von A gibt, allein gebraucht, wenn auch kein ganz vollkommenes (von einer Linse unmöglich), so doch ein für viele Zwecke brauchbares Bild.

Das Objektiv F wird für 25 Thaler angeboten. Damit beläuft sich der Preis für das hier gezeigte Mikroskop in der vorliegenden Ausstattung auf 48 Thaler.

Der schon in seiner Zeit oft als Referenz herangezogene Leopold Dippel schreibt über dieses Stativ von Zeiss 1867 (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung (Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1867)):

Die Stative III b. (Fig. 123) und III c. gehören in die Classe der kleinen Stative, und es unterscheiden sich beide wesentlich nur dadurch von einander, dass bei dem letzteren der Tisch drehbar ist. Der Fuss, bei dem ersteren von Hufeisenform, bei dem letzteren viereckig und schwer, trägt die Rundsäule, an welcher der quadratische feststehende Objecttisch von 50mm Seite, sowie der Arm mit der federnden Hülse, in der sich das Rohr zur groben Einstellung verschieben lässt, befestigt sind. Siegeleinrichtung und Blendungsvorrichtung gleichen der bei Nr. I beschriebenen. Die feine Einstellung wird mittelst Mikrometerbewegung der Tubussäule bewerkstelligt. Mit den Objectivsystemen A, C, D und F, den Ocularen 1, 2, 3 und 4, Camera lucida, Deckglastaster und Ocularmikrometer ausgestattet, kosten diese Mikroskope 91 Thlr. resp. 104 Thlr., mit den Systemen A und D und den Ocularen 2, 3 und 4 45 Thlr. und resp. 53 Thlr.

Die vier beschriebenen Modelle dürften meiner Ansicht nach die weiteste Verbreitung finden, und wäre im Interesse dieser nur zu wünschen, dass Zeiss bei seinen 1863 notirten Preisen stehen geblieben wäre.

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[…]

Alle Stative sind in ihrer Ausführung vortrefflich, und es hat Zeiss durch den feststehenden, räumlichen Objecttisch, namentlich aber durch die feine Einstellung an der Tubussäule, eine wesentliche Vervollkommnung der kleinen und kleinsten Stative herbeigeführt, welche allgemeine Nacheiferung verdient. Man kann bei dieser Einrichtung selbst mit den kleineren Stativen die stärksten Objectivsysteme verbinden, ohne dass das optische Vermögen beeinträchtigt wird. Da man ausserdem verschiedene Combinationen von Objectivsystemen und Ocularen wählen kann, so hat man in Bezug auf den Kostenpunkt einen möglichst freien Spielraum.

Einige Jahre später berichtet der Anatomen Prof. Friedrich Merkel (1845-1919) vom Einsatz eben des hier gezeigten Stativtyps für seine Kurse an der Universität Rostock (Friedrich Merkel: Das Mikroskop und seine Anwendung (R. Oldenbourg, München 1875): 133):

Die zweite Fabrik, welche erwähnt werden muss, ist die von Zeiss in Jena. Schon früher hatte sich dieselbe durch ihre vorzüglichen einfachen Mikroskope bekannt gemacht, um sich in späterer Zeit auch auf dem Felde des zusammengesetzten Mikroskopes zu exhibiren. Von Jahr zu Jahr hat sich der unermüdliche Vorstand des Geschäftes mehr und mehr vervollkommnet und liefert jetzt Instrumente, welche man in jeder Hinsicht ausgezeichnet nennen darf. Er führt in seinem Verzeichniß nun sieben verschiedene Stative mit vortrefflichen Systemen auf. Mit einigen kleineren Instrumenten von ihm (Stativ III b Fig. 61) arbeiten seit mehreren Jahren Anfänger unter meiner Aufsicht, und es werden diese Instrumente von denselben ihres schönen Lichtes, ihrer klaren Bilder und bequemen Handhabung wegen fast allen anderen vorgezogen.

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Friedrich Mühlberg

muehlberg_friedrichBei dem ursprünglichen Besitzer des Mikroskops handelt es sich um den Geologen Friedrich Mühlberg (1840-1915), welcher ab 1859 in Zürich Botanik, Geologie und Chemie studierte und dort 1861 das Diplom in Chemie ablegte. 1866-1911 war er Lehrer an der Kantonsschule Aarau. Mühlberg bemühte sich stets um die praktische Anwendung der Naturwissenschaften und gilt als früher Naturschützer. 1888 verlieh im die Universität Basel den Ehrendoktortitel.

Friedrich Mühlberg war von 1895 bis 1896 an der Gewerbeschule der Aargau Kantonsschule der Lehrer des jungen Albert Einstein (1879-1955) in den Fächern Mineralogie, Vorbegriffe der Geologie sowie Physikalische Geographie.

Einstein schrieb in seinem Todesjahr im Rückblick über diese Zeit: Während dieses Jahres in Aarau kam mir die Frage: Wenn man einer Lichtwelle mit Lichtgeschwindigkeit nachläuft, so würde man ein zeitunabhängiges Wellenfeld vor sich haben. So etwas scheint es aber doch nicht zu geben! Dies war das erste kindliche Gedanken-Experiment, das mit der speziellen Relativitätstheorie zu tun hat.

In wie weit der Naturkundelehrer Einfluß auf den weiteren Lebensweg seines später so berühmten Schülers nahm, ist nicht belegt. Als gesichert gilt aber, dass Albert Einstein diesen Lehrer allen anderen vorzog und ihn, so möglich, gesondert grüßen ließ. Albert Einstein übersandte ihm seine erste Publikation (Albert Einstein (1901): Folgerungen aus dem Kappilaritätserscheinungen. Annalen der Physik 4: 513-523) mit der Widmung:

In dankbarer Erinnerung gedenke ich noch des Versprechens, das Sie mir damals abnahmen & schicke Ihnen meine erste Publikation.

Über Carl Zeiss

zeiss_1846_esche_1966Carl Zeiss (1816-1888) wird als Kind fünftes Kind des Hofdrechselermeisters Johann Gottfried Zeiß in Weimar geboren. Nach seinem Schulbesuch in Weimar absolviert Carl Zeiss 1834-1838 eine Mechanikerlehre beim Universitätsmechaniker Dr. Friedrich Körner in Jena. Nach Abschluß der Lehre besucht Zeiss 1835-1838 Vorlesungen der Universität Jena in Mathematik, Experimentaphysik, Antropologie, Mineralogie und Optik. Es schließen sich 1838-1845 Wanderjahre mit Stationen in Stuttgart, Wien, Berlin und Darmstadt an. Im Jahre 1845 kommt Carl Zeiss wieder nach Jena und absolviert ein Praktikum am physiologischen Institut bei Prof. M. J. Schleiden.

Carl Zeiss wird die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf von mechanischen und optischen Instrumenten in Jena am 19.11.1846 durch die Großherzogliche Landesregierung in Weimar erteilt. Die erste Werkstätte befindet sich in der Neugasse 7 in Jena. Im Juli 1847 zieht die Werkstatt in die Wagnergasse 32 und im August diesen Jahres wird als erster Lehrling August Löber eingestellt. Im September 1847 wird die Produktion einfacher Lupenmikroskope, entsprechend dem hier gezeigten Instrument, aufgenommen. Erst 1857 werden die ersten zusammengesetzten Mikroskope in der Zeiss’schen Werkstatt gefertigt. 1866 wird das 1000. Mikroskop hergestellt; kurz darauf beginnt im selben Jahr die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe. 1872 schließlich werden die Optiken der Mikroskope nach Abbes Berechnungen konstruiert.

Zum Exponat

Dieses Mikroskop kann im Juni 2008 in Zofingen/Schweiz erworben werden, nach Auskunft des Auktionators stammt es aus einem privaten Nachlaß aus dem Engadin.

Referenzen und Verweise

Vergleiche: Referenz 2, 25, 54, 62, 70, 136 sowie Mikroskopsammlung des Polytechnischen Museums Moskau: Mikroskop signiert „Carl Zeiss, Jena. No. 6467“, Inventurnummer PM 008190 (MIM 179); Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum Wien: „Zusammengesetztes Mikroskop um 1890 / Signatur: Carl Zeiss, Jena, 2019, 2090“, Museal-Nr. 25.765 (falsch datiert, das Mikroskop stammt aus dem Jahr 1874)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.