Großes Zeiss Mikroskop Stativ II

Carl Zeiss Jena

Zeiss Mikroskop Stativ II von 1879.

Großes Stativ aus zaponiertem und geschwärztem bzw. schwarz lackiertem Messing, gebläutem Stahl. Das Instrument verfügt über einen ausziehbaren Tubus, Grob- und Feintrieb sowie dreh- und schwenkbaren Plan- und Konkavspiegel. Es läßt sich um die optische Achse drehen.

Eine Zylinderblende mit drei Einsätzen

kann in einen Schlitten mit Schwalbenschwanzführung unter der Tischplatte eingeführt werden. Vom wohl ursprünglich zusätzlich vorhandenen Abbe’schen Beleuchtungsapparat existieren noch die fünf Blendscheiben – eine dieser Blenden ist als Zentralblende ausgeführt und ein gesondertes geschwärztes Bauteil D läßt sich als Objektivblende für die Dunkelfeldbeobachtung einschrauben.

Das Mikroskop ist ausgerüstet mit den Objektiven A C.Zeiss, Nr. 1249 und D C.Zeiss, Nr. 1433 sowie den Okularen Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4; an weiterem Zubehör findet man einen frühen zaponierten zweifachen Objektivrevolver und ein Zeichenprisma (Camera Lucida mit zwei Prismen, mit Ring zum Klemmen am oberen Tubusende).

Die Möglichkeit das Stativoberteil um die optische Achse drehen zu können, hat folgenden Hintergrund:

Die Mikroskopspiegel der großen Instrumente sind weitgehend außerhalb der Achse verstellbar, so dass je nach Wunsch sowohl mit zentral einfallendem als auch mit stark schiefen Beleuchtungsbündeln gearbeitet werden kann (bei letzterem muss jedoch die Zylinderblende entfernt werden). Nach der Einstellung des Spiegels auf eine bestimmte Strahlenneigung, ist durch die Drehung die Möglichkeit gegeben, das Objekt unter verschiedenen Azimuten, doch mit gleichem Einfallswinkel zu beleuchten, ohne dass – wie bei den später üblichen drehbaren Tischen – eine Nachzentrierung des Objektes nötig wäre: Dieses bleibt bei der Drehung des kompletten Oberteils stets in der Mitte des Sehfeldes.

Jene Drehbarkeit der Stativoberteile um die optische Achse wird in den Zeiss-Katalogen für große Stative bis 1891 angeboten.

Auf dem Zwischenträger ist das Instrument sehr dekorativ mehrzeilig signiert:

Carl Zeiss.
Jena.
No. 4415

Wie von Hartnack vorgegeben,

kann die Zylinderblende nicht nur in der Hülse verschoben werden, sondern kann in einem Schlitten mit Schwalbenschwanzführung herausgezogen und gewechselt werden, ohne Gefahr zu laufen, dabei den Spiegel zu verstellen.

Die Zylinderblende hat dabei zwei Aufgaben zu erfüllen: in oberer Stellung als Leuchtfeldblende, in der unteren als Aperturblende (da hier der Lichtkegel des Spiegels nicht mehr durch den Spiegelrand selbst, sondern durch die Blende begrenzt wird). Die Irisblende wird erst im Zeiss-Katalog von 1889 in Verbindung mit dem Abbe’schen Beleuchtungsapparat und der Neukonstruktion des Stativ I angeboten.

Bei der hier vorhandenen Camera Lucida handelt es sich um die früheste Form in der Konstruktion von 1869. Noch im Zeiss-Katalog von 1902 erscheint dieses Zeichenprisma mit folgender Beschreibung:

*Alte Form der Camera lucida No. 109. Dieses Zeichenprisma liefern wir nur in der einen in Fig. 46 abgebildeten Form. Das Prismengehäuse ist um eine horizontale Achse drehbar und lässt sich in der Höhe verstellen. Es ist mittels eines federnden Ringes am Tubus zu befestigen und kann bequem zur Seite geschlagen werden.

No. 109: Zeichenprisma (Camera lucida), einschl. Behälter: Mk. 21.-.

Im Zeiss Katalog Nr. 22 von 1877

(mit Abbildungen versehen in der Neuauflage 1878) erscheinen 11 Mikroskopstative (darunter immernoch drei mit Rundfuß). Das seit 1861 angebotene „Hufeisenstativ nach Oberhäuser“ verschwindet und zwei neue große Typen erscheinen:

Nr. 22 Stativ I. Grosses Hufeisenstativ, zum Umlegen eingerichtet, mit Drehung um die optische Achse. Grobe Einstellung durch Zahn und Trieb; ausziehbarer Tubus; Cylinderblendung, mit Einrichtung zur Centrirung während des Beobachtens, an einem drehbaren Arm, der durch Zahn und Trieb bewegt wird. Höhe des Instrumentes von der Standfläche bis zum Ocularende, bei mittlerem Auszug 33 Cm. – Dabei Beleuchtungsapparat nach ABBE neben dem gewöhnlichen Spiegel … M 300.-

Nr. 23 Stativ II. Von gleicher Einrichtung wie I, nur etwas kleiner und leichter gebaut und mit Schlitten für die Cylinderblendungen. Höhe des Ganzen 31 Cm. Gleichfalls mit Beleuchtungsapparat … M 250.-

Erstmals erscheinen hiermit die Zahn- und Triebbewegungen

zum groben Verstellen des Tubus – bereits einige Jahre zuvor sind sie auf besonderen Wunsch angeboten worden. Diese Form wird mit dem auch hier neu angebotenen Auszugstubus zum Markenzeichen der großen Zeiss Stative bis ins 20. Jahrhundert.

[Für die weitere technische Beschreibung dieser neu eingeführten groben Einstellung sei auf Referenz Nr. 70 verwiesen]

Zu der optischen Ausstattung

dieses Mikroskopes können dem Zeiss Verzeichnis von 1877 folgende Daten entnommen werden:

Nummer.Signatur.Oeffnungswinkel.Äquivalent-Brennweite.Vergrößerung bei 155 mm Tubuslänge, mit OcularMark
234
6A24°16 mm ( 2/3“ engl.)557510524.-
12D75°4,2 mm (1/6„)23532044042.-

System A ergibt, wenn die obere Linse allein benutzt wird, eine ganz brauchbare Vergrößerung, ungefähr die Hälfte von derjenigen des ganzen Systems.

Oculare234
Äquivalentbrennweite42 mm30 mm24 mm

Oculare pro Stück Mk 7.-

Interessant sind bezüglich der Konstruktion der Stative noch folgende Sätze aus dem Vorwort des Zeiss-Katalogs von 1883:

Die nachfolgend beschriebenen Stative schließen sich – wie diejenigen fast aller continentalen Werkstätten – ihrer allgemeinen Einrichtung nach dem von OBERHÄUSER eingeführten, durch HARTNACK erfolgreich weiterentwickelten Construktionstypus an. Insofern bieten sie daher nichts Eigenartiges. Dagegen ist das constructive Detail aller wesentlichen Theile an unseren größeren Instrumenten – namentlich der groben und der feinen Einstellung, der Spiegelbewegung und der sonstigen Beleuchtungsvorrichtungen – unserer Werkstätte eigenthümlich, als das Resultat langjähriger eigener Bemühungen um die Vervollkommnung der mechanischen Einrichtung des Mikroskops.

Zwar trägt das hier gezeigte Mikroskop verschiedene Spuren des Gebrauchs,

ist aber eines der ersten überhaupt gebauten typischen „großen Zeiss Stative“ aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.

Der Seite 204 des Auslieferungsbuchs der Firma Carl Zeiss Jena ist zu entnehmen, dass dieses Stativ II am 15.12.1879 als 3230. zusammengesetztes Mikroskop fertiggestellt wird.

Am 28.02.1880 erfolgt die Auslieferung

mit den Objektiven A und D und die Okularen 2, 3 und 4 an P. Pumball nach Chesterton. Mithin befindet es sich noch in der kompletten Originalausstattung.

Die darauf folgenden 120 Jahre lassen sich nicht mehr rekonstruieren; ca. 2000 taucht das Mikroskop in Somerset, England bei einer Auktion auf, gelangt von dort nach New Orleans, Louisiana und kann schließlich im Juni 2002 für diese Sammlung erworben werden.

Über Carl Zeiss

zeiss_1846_esche_1966Carl Zeiss (1816-1888) wird als Kind fünftes Kind des Hofdrechselermeisters Johann Gottfried Zeiß in Weimar geboren. Nach seinem Schulbesuch in Weimar absolviert Carl Zeiss 1834-1838 eine Mechanikerlehre beim Universitätsmechaniker Dr. Friedrich Körner in Jena. Nach Abschluß der Lehre besucht Zeiss 1835-1838 Vorlesungen der Universität Jena in Mathematik, Experimentaphysik, Antropologie, Mineralogie und Optik. Es schließen sich 1838-1845 Wanderjahre mit Stationen in Stuttgart, Wien, Berlin und Darmstadt an. Im Jahre 1845 kommt Carl Zeiss wieder nach Jena und absolviert ein Praktikum am physiologischen Institut bei Prof. M. J. Schleiden.

Carl Zeiss wird die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf von mechanischen und optischen Instrumenten in Jena am 19.11.1846 durch die Großherzogliche Landesregierung in Weimar erteilt. Die erste Werkstätte befindet sich in der Neugasse 7 in Jena. Im Juli 1847 zieht die Werkstatt in die Wagnergasse 32 und im August diesen Jahres wird als erster Lehrling August Löber eingestellt. Im September 1847 wird die Produktion einfacher Lupenmikroskope, entsprechend dem hier gezeigten Instrument, aufgenommen. Erst 1857 werden die ersten zusammengesetzten Mikroskope in der Zeiss’schen Werkstatt gefertigt. 1866 wird das 1000. Mikroskop hergestellt; kurz darauf beginnt im selben Jahr die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe. 1872 schließlich werden die Optiken der Mikroskope nach Abbes Berechnungen konstruiert.

Zum Exponat

Ca. 2000 taucht das Mikroskop in Somerset, England bei einer Auktion auf, gelangt von dort nach New Orleans, Louisiana und kann schließlich im Juni 2002 für diese Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche:

Referenz 2, 25, 54, 62, 70 sowie Optisches Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: „Mikroskop Stativ II / mit Abbe’schem Beleuchtungsapparat / Carl Zeiss, Jena / 1876“ auf dem Tubusträger signiert „Carl Zeiss / Jena / No. 3102“; Collection of Historical Scientific Instruments at Harvard University, USA: „Zeiss stand II laboratory compound microscope“, signiert auf dem Tubusträger: „Carl Zeiss. / Jena. / No. 3218“, Inventory Number 1288

(Datierung mit freundlicher und äußerst zuvorkommender Unterstützung von Dr. Wolfgang Wimmer, Archiv Carl Zeiss Jena, 18.06.2002)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.