Kleines Mikroskop
von Friedrich Wappenhans in Berlin
Kleines Mikroskop von Friedrich Wappenhans; Flachfußstativ um 1855 im Kasten.
Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing und gebläutem Stahl. Die grobe Einstellung wird über einen Schiebetubus ermöglicht, der Feinfokus durch eine die Säule durchstoßende Rändelschraube, welche die Tischplatte gegen eine Feder hebt – diese Konstruktion der Feineinstellung wird nach ihrem Erfinder auch als Norbert’scher Tisch bezeichnet.
In der mechanischen Ausführung erinnert dieses Mikroskop in nahezu allen Details an das kleine Mikroskop von F.W. Schiek in Berlin.
Die Signatur des Instrumentes befindet sich auf der Hülse für den Tubus. Hier liest man in dekorativer Schrift:
Fr. Wappenhans
in Berlin
No 87
Die Okulare sind mit Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 nummeriert. An weiterer optischer Ausstattung dieses einfachen kleinen Mikroskops findet man ein zweiliges Satzobjektiv mit den Schlagzahlen 1 und 2. Der Tubus ist zum Ausziehen eingerichtet.
Der Plan- und Konkavspiegel ist vierfach gelagert und ermöglicht damit schiefe Beleuchtung des Objekts, die Zylinderschiebehülse verfügt über zwei wechselbare Aperturblenden, in die Tischplatte ist eine runde schwarze Glasplatte eingelegt.
Liegend wird das Mikroskop im Mahagoni-Kasten untergebracht. Im Deckel dieser Kastette ist eine handgeschriebene Vergrößerungstabelle eingeklebt. Eine kleine Schublade im Kasten dient zur Aufbewahrung von Deckgläschen und ähnlichem. Den Aussparungen des Kastens nach verfügte das Instrument ursprünglich noch über eine Pinzette, eine feuchte Kammer und ein weiteres Objektiv.
Hier handelt es sich um eines jener Stative, die Rudolf Virchow in seinem grundlegenden Werk zur Trichinose als für die Trichinenschau zu verwendend empfiehlt (Rudof Virchow: Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. Verlag von G.Reimer; Berlin 1864: 48-49) :
Wenn zu diesem Zwecke die besten Instrumente, wie immer, vorzuziehen sind, so sind diese doch nicht gerade nothwendig. Im Gegentheil genügen dazu schon Mikroskope mit mäßigen Vergrößerungen, wobei ich jedoch darauf aufmerksam mache, daß schlechte Mikroskope, welche eine starke Vergrößerung prätendiren, in der Regel weniger brauchbar sind, als gute Instrumente mit sehr mäßiger Vergrößerung.
Auf meine Veranlassung hat der Optiker Hänsch in Berlin (Karlsstraße 8) kleine Mikroskope eigens zu diesem Zweck eingerichtet. Dieselben geben eine 100 bis 180fache Vergrößerung und kosten nur 10 bis 12 Thlr.
[…]
Ebenfalls sehr empfehlenswerth sind die einfachen Mikroskope (Simplex) des berühmten Optikers Schiek in Berlin (Marienstraße 1), welche nicht so starke Vergrößerung liefern, aber um so genauer gearbeitet sind. Sie kosten 20 Thlr.
[…]
Für größere Ansprüche sind die gebräuchlichen Mikroskope zu 40-50 Thlr., wie sie Hänsch, Schiek, Wappenhans u.A. in Berlin, Belthle in Wetzlar, Hartnack in Paris u.A. liefern, zu empfehlen.
Im Jahre 1838 erscheint in Berlin erstmals Friedrich Wappenhans als Mechnikus, wohnhaft in der Taubenstrasse 46. Ab 1840 wohnt Wappenhans in der Mauerstrasse 33, dem Nachbarhaus des bekannten Berliner Mechanikers Carl Pistor. Während Wappenhans sich in jenem Jahr als Instrumentenmacher bezeichnet, führt er ab 1841 die Berufsbezeichnung Mechanikus und Optikus. Bereits 1844 ist er wieder unter neuer Adresse zu finden: Kronenstrasse 14 bzw. 17. Ab 1854 ist Wappenhans‘ Werkstatt in der Besselstrasse 18 angesiedelt. Doch auch hier bleibt das Unternehmen nicht lange, bereits ab 1862 wird Friedrich Wappenhans in der Niederwallstrasse 9 geführt und schließlich von 1871 bis 1882 in der Feilnerstrasse 12.
Bereits 1853 findet sich folgende Beschreibung der Mikroskope von F. Wappenhans (Anzeiger. Bonplandia – Zeitschrift für angewandte Botanik I (10) 1. Mai 1853: 96):
Empfehlung von Mikroskopen.
Herr F. Wappenhans in Berlin (Besselstrasse Nr. 18) verfertigt seit einigen Jahren Mikroskope, welche den Instrumenten eines Plössl und Schiek in keiner Weise nachstehen. Der Unterzeichnete hat Gelegenheit gehabt, mehrfache dessfallsige Vergleiche anzustellen und ist durch die Schärfe und Klarheit der Bilder selbst bei stärkeren Vergrösserungen überrascht worden; die Schuppen von Lycaena argus zeigten schon bei 250maliger Vergrösserung (Ocular Nr. 0) die Querstreifen aufs Allerdeutlichste, desgleichen die concentrischen Schichten in den Steinzellen der Samentesta von Pinus Pinea an einem Schnitte durch das Putamen, welche ebenfalls nur mit besseren Instrumenten wahrgenommen werden können. Der Preis der Instrumente, welche in verschiedenen Grössen, sämmtlich mit feststehenden Tischchen, von 60 Thlr. an mit feiner Einstellung angefertigt werden, beträgt 40, 50, 60, 76, 150 u. 180 Thaler Pr. Cour. Ein Instrument zu 76 Thlr., welches ich zu Vergleichen gegenwärtig das Vergnügen habe, zeigt mit den Linsen 4X5X6 und dem Ocular Nr. 3 eine eintausendmalige Vergrösserung. Ich kann die Mikroskope des Herrn Wappenhans einem Jeden, der sich mit phytotomischen Untersuchungen beschäftigt, aufs Angelegentlichste empfehlen.
Berlin, den 29. März 1853 Dr. G. Walpers
Der Medicinalrath Herrmann Reinhard (Herrmann Reinhard: Das Mikroskop und sein Gebrauch für den Arzt. C. F. Winter’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig und Heidelberg 1857: 5-6) zählt Wappenhans‘ Werkstatt zu den wichtigsten guter Mikroskope und urteilt über die kleinen Stative der führenden Hersteller wie folgt:
In der Verfertigung der kleinen Mikroskope wird gegenwärtig so Vorzügliches bei verhältnißmäßiger Billigkeit geleistet, dass für bei weitem die meisten Untersuchungen, wie sie der Arzt zu seinen physiologischen, pathologisch-anatomischen und diagnostischen Studien bedarf, die kleinen Mikroskope aus guten Werkstätten ausreichen. Die bewährtesten sind die von Oberhäuser in Paris, Schiek, Bénèche und Wasserlein, Wappenhans, sämmtlich in Berlin, Merz in München u. s. w., deren Preise alle nahezu gleich, zwischen 30 und 40 Thaler betragen.
Herrmann Schacht schreibt als Privatdozent an der Universität Berlin (Herrmann Schacht: Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie. Zweite, verbesserte und stark vermehrte Auflage; G. W. F. Müller; Berlin 1855: 7) beschreibt die Einstellung des Mikroskoptisches von Wappenhans:
Sämmtliche neueren Mikroskope von Schiek, desgleichen die kleineren Instrumente von Bénèche und von Wappenhans sind mit einer, allerdings der Theorie nach fehlerhaften feineren Einstellung versehen, die sich dessen ungeachtet in der Praxis sehr bewährt. Der hinreichend große Objecttisch ist nämlich, nach dem Princip von Norbert durch zwei feine Spitzen, gewissermaßen wie eine Klappe, an der Säule des Stativs aufgehängt. (Taf. 2, Fig. 1.) In dem die Stellung des Tisches zur Säule des Stativs sich vermittelst einer Schraube etwa von 88° bis 92° verändern läßt, wird der Gegenstand dem Objectiv genähert oder entfernt. Das Bild schlottert nicht, der Tisch ist hinreichend fest und der früheren Einrichtung der Mikroskope bei weitem vorzuziehen.
auf Seite 16 heißt es weiter:
Wappenhans (Besselstraße 18, Berlin), dessen Mikroskope mit seit einigen Jahren bekannt geworden sind, liefert vortreffliche Gläser, deren Bild besonders scharf aber nicht ganz farbenfrei ist. Nach Verlangen giebt derselbe sowohl das große Stativ nach Oberhäuser, als auch das Stangenstativ nach Schiek. Die kleineren Instrumente (zu 50 Thlr. Pr. Cour.) haben den Tisch nach Norbert (vergl. p. 7) und eine sehr zweckmäßig construirte Einrichtung für schiefe Spiegelstellung. die Vergrößerung dieser Mikroskope geht von 36-700mal. Noch kleinere Instrumente nach dem Vorbilde der kleinen Mikroskope von Oberhäuser kosten 35 Thaler.
In der folgenden Auflage urteilt Schacht (Hermann Schacht: Das Mikroskop und seine Anwendung insbesondere für Pflanzen-Anatomie. 3. vollständig umgearbeitetet Auflage; Verlag von G.W.F. Müller; Berlin 1862: 23) über die Mikroskope aus der Werkstatt von Wappenhans:
Wappenhans (Besselstrasse 18, Berlin), welcher noch das ältere Princip verfolgt, und die Vergrößerung mehr durch das Ocular gewinnt, liefert Instrumente, die in ihren optischen Leistungen den Mikroskopen SCHIEK’s am nächsten stehen; die Bilder sind scharf, aber nicht ganz farbenfrei. Indes darf ich mir über die neuesten Instrumente des Optikers kein Urteil erlauben.
Dieses Mikroskop kann im August 2005 für die Sammlung erworben werden.
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