Kleines petrografisches Mikroskop
mit synchroner Drehung – R. Fuess Berlin
Kleines petrografisches Mikroskop mit synchroner Drehung der Nicols; Stativ VIII von R. Fuess Berlin aus dem Jahre 1896.
Das Mikroskop besteht aus zaponiertem, geschwärztem und vernickeltem Messing bzw. lackiertem Eisen, gebläutem Stahl und Neusilber. Zur Fokussierung verfügt das Mikroskop über einen einzigen schrägverzahnten Trieb.
Die Beleuchtung erfolgt über einen dreh- und schwenkbaren Hohl- und Planspiegel. Eine Kondensorlinse kann über eine Schwalbenschwanzführung in den Strahlengang eingebracht werden.
Die Signatur befindet sich auf dem Dorn des Hufeisens, dem Benutzer zugewandt, ausgeführt in schlichten Buchstaben:
R.Fuess
Berlin-Steglitz
Nr. 564
Leider ist die originale optische Ausrüstung dieses Mikroskops nicht mehr erhalten.
Auf dem oberen Zahnrad ist der Gebrauchsmusterschutz des Deutschen Reichs mit D.R.G.M. vermerkt.
Vorgestellt wird dieses Mikroskop
im „Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie“, Beilagen-Band X, November 1895:
Ueber neuere Instrumente und Vorrichtungen für petrographische und krystallographische Untersuchungen.
von
C. Leiss
Mittheilungen aus der R. Fuess’schen Werkstätte in Steglitz bei Berlin.
[…]
Mikroskope, bei denen die beiden gekreuzten oder parallel gestellten Nicols um das feststehende Präparat gedreht werden können.
[…]
Mikroskop, Modell VIIa.
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Der hauptsächliche Unterschied dieses in Fig. 1 abgebildeten Instrumentes gegenüber dem vorherigen Modell besteht zunächst darin, dass dasselbe im Allgemeinen etwas kleiner gehalten ist. Das Charnier für die Umlegeeinrichtung, wodurch der Tubus bis zur Horizontallage geneigt werden kann, befindet sich wie bei den grösseren Stativen gleichfalls über der Ebene des Objecttisches. Auch die Zahnradübertragung ist in genau gleicher Weise angeordnet und es besitzt das untere kleine Zahnrad r noch eine grössere geränderte Scheibe, mittelst welcher die Drehungen der Polarisatoren bewerkstelligt werden. Die Verlegung der Griffscheibe an das untere Ende der Radübertragung hat neben der Annehmlichkeit mit der an den Drehtisch gewöhnten Hand auch die Drehung der Nicols an derselben Stelle ausführen zu können, noch den besonderen Vorzug, dass dadurch jegliches Schwanken des Tubus während der Operation völlig ausgeschlossen bleibt.
Würde dagegen die Drehung von einem der oberen Zahnräder vorgenommen werden, so bliebe ein geringes Schwanken, wenigstens bei den starken Vergrösserungen, wodruch leichte Störungen eintreten würden, unvermeidlich.
Die Theilscheibe des grossen, oberen Zahnrades Z1 besitzt wie diejenige des vorgenannten Modelles Gradtheilung und es zeigt der Nonius n unmittelbar 5 Minuten an.
Der Aufsatzanalysator ist für die Bestimmungen der Circularpolarisation u. dergl. noch stelbstständig drehbar und auch abhebbar; seine Drehungen sind an einem in der Figur nicht sichtbaren Zeiger, welcher bei der Einstellung auf den Nullpunkt der Kreistheilung die gekreuzte Stellung der Nicols anzeigt, ablesbar. In dieser Lage fallen dann auch die Schwingungsrichtungen der Polarisatoren mit den Richtungen der Kreuzfäden in den Okularen zusammen. Für die gemeinsame Drehung wird der Analysator vermittelst des Schräubchens d, welches gegen eine federnde Zunge der Analysatorhülse drückt, mit dem grossen Zahnrad bezw. der Kreisscheibe fest verbunden. Um während der Beobachtungenin der durch den Innennicol gewohnten Weise schnell vom polarisirten zum gewöhnlichen Licht und umgekehrt übergehen zu können, ohne dabei auf das unbequeme Abheben und Wiederaufsetzen des Analysators angewiesen zu sein, ist derselbe gleich den Innennicols der FUESS’schen Instrumente ausschaltbar eingerichtet. Unmittelbar unter dem Schieber N für die Ausschaltung des Nocols wird die Hülse unter 45° zum Hauptschnitt von einem Schlitz durchsetzt, welcher von hinten rechts (der Feineinstellung zugewendet) bis nach vorne links durchgeführt ist, um zum Einschieben von Gyps-, Glimmer- und Quarzplättchen oder -Keilen dient [sic!].
Über die Staubglasfassung des Analystors kann für stauroskopische Messungen und eventuell auch für die schärfere Betrachtung von Axenbildern eine Diaphragmenscheibe gesetzt werden.
Wie schon gelegentlich meiner Besprechung des Modells VI angedeutet, sind die Diaphragmen der Oculare centrirbar eingerichtet. Der den Hauptschnitt des Mikroskopes (0-180°) kennzeichnende Faden sämmtlicher Oculare ist durch eine in dem Diaphragma befindliche Kerbe gekennzeichnet, um so während der Beobachtung etwaige Irrthümer über die Grösse der gemachten Drehung auszuschliessen1.
1 Das Allervollkommendste wäre wohl eine Anordnung, welche gestattet, gleichzeitig mit der Beobachtung des Objectes auch die Grösse der ausgeführten Drehung am Kreis ablesen zu können. Eine derartige Anordnung würde freilich zu bedeutender Complication und vermuthlich auch zu Einschränkungen im sonstigen Anwendungsgebiet des Instrumentes führen.
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Als geeignetste Oculare sind, ihres zulässigen grösseren Augenabstandes wegen, die Nummern 1 und 2 zu empfehlen;
bei den stärkeren Ocularen erleidet das Sehfeld schon eine merkliche Einschnürung. In Verbindung mit der in gleicher Art wie die Innennicols einschaltbaren Bertrandlinse B zeigt das Ocular No.2, welches für Messungen der scheinbaren Axenentfernung mit einer Mikrometerscala ausgerüstet werden kann, das deutlich vergrösserte Axenbild. Mit dem Ocular No. 1 tritt nur dann das Interferenzbild scharf hervor, wenn die Diaphragmenscheibe über das Nicol gesetzt ist.
Der Kopf der Mikrometerschraube für die feinere Tubuseinstellung besitzt eine Hunderttheilung, welche den am Tubusträger zwischen zwei Spitzenschrauben hängenden Nonius n1 bestreicht und Fünftel des Intervalles, d.i. 0,001 mm abzulesen erlaubt.
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Die „Aus- und Einschaltung des convergenten Lichtes“ wird mit Hilfe des Griffknopfes a durch einen linksseitig unter der Tischfläche eingesetzten Schiebers s, welcher die halbkugelförmige Condensorlinse C trägt, bewirkt. Abweichend von anderen Schaltvorrichtungen ist hier die Einrichtung getroffen worden, dass bei der Einschaltung der das convergente Licht erzeugende Condensor vermittelst einer Federeinrichtung sogleich in die für die Beleuchtung des Präparates geeignete Stelle (Frontseite der Linse in der Tischebene) gebracht wird, so dass die Einstellung des Condensors durch den Polarisator und ein der Aus- und Einschaltung vorhergehendes Senken des letzteren entbehrlich wird. Beim Zurückziehen des Schiebers, also bei „Ausschaltung des convergenten Lichtes“, wird die federnd eingesetzte Condensorlinse unter die Tischfläche geschoben. Aus- und Einschaltung ist durch Anschlag markirt. Um den Schieber s behufs etwaiger Reinigung der Linse C aus seiner Führung herausziehen zu können, ist vor dem Herausziehen nur ein geringer Druck auf das Knöpfchen b erforderlich; es bewirkt dies, dass ein kleiner Riegel, gegen welchen der Anschlag erfolgt, geöffnet wird.
Die mit dem grossen Zahnrad Z fest verbundene Einschiebhülse H des Polarisators besitzt, da die soeben besprochene neue Aus- und Einschaltvorrichtung des Condensors eine Zahn- und Triebbewegung gänzlich entbehrlich macht, drei unter 45° von einander enfernte, mit 0, 45 und 90 bezeichnete Schlitze, in welche sich der Knopf o einer im Polarisatorrohr sitzenden Schraube eingelegt und dem Nicol die genau orientirten Stellungen anweist. Über dem Polarisator ist in dessen Rohrfassung eine Condensorlinse von langer Brennweite eingeschraubt, welche nach Ausschaltung der oberen Linse C für die Beobachtungen im parallelen bezw. fast parallelen Lichte dient.
In das untere Ende der Polarisatorröhre lässt sich, um die Abstufung der Belechtung auf das Feinste reguliren zu können, an Stelle der Staubglasfassung eine Irisblende, welche mit Hilfe des geränderten Ringes J gedreht werden kann, einschrauben.
Mikroskop, Modell VIII.
Als ein immerhin noch recht vollkommenes und dabei billiges Instrument enstand die durch Fig. 2 dargestellte Construction. Die Vereinfachung dieses Instruments gegenüber dem Modell VIIa bezieht sich lediglich auf die Fortlassung der Umlegeeinrichtung und der feinen Tubuseinstellung. Die Bewegung des Tubus vermittelst Triebführung mit schrägen Zähnen ist jedoch eine so solide und sanfte, dass die feine Einstellung stärkerer Objektive wie No. 7 und No. 9, deren Leistung für fast alle mineralogischen und petrographischen Arbeiten ausreicht, keine Schwierigkeiten macht. Die Triebführung ist ferner auch so ausgiebig, das die Anwendung von schwachen Objectiven mit einem Focalabstand von ca. 50 mm noch gut möglich ist. Alle sonstigen Einrichtungen des vorbesprochenen Mikroskopes (Fig.1) sind auch an diesem Instrument beibehalten.
Die dem entsprechenden Separatdruck anhängende Preisliste führt diese Mikroskope als:
3. Mikroskop No. VIIa (Fig.1) ohne Objective und Oculare… 400.- Mark
4. Mikroskop No. VIII (Fig.2) ohne Objective und Oculare… 275.- Mark
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Im Katalog „Optische Instrumente“
(R. Fuess mechanisch-optische Werkstätten Steglitz bei Berlin Abteilung I.; Liste No. 38 [III. Auflage]; Steglitz) von 1907 wird dieses Mikroskop angeboten:
Nr. 106 Mikroskop Modell VIII … 275,- Mk.
Als optische Ausrüstung würde sich die des Modells IV empfehlen.
Letztmalig wird das Mikroskop gelistet im Katalog „Mineralogische u. Krystalloptische Instrumente und Hilfsapparate“ (R. Fuess mechanisch-optische Werkstätten Steglitz bei Berlin; Liste No. 132; Steglitz) von 1909:
No. 123 Mikroskop Modell VIII (Fig. 82)
Dieses vereinfachte Modell eignet sich besonders zum Gebrauch in Verbindung mit Erhitzungs- und Kältevorrichtungen, die sich auf dem Objekttisch nicht drehen lassen (s. z.B. Fig. 110-113). Der aufsetzbare Nikol N ist ausschaltbar eingerichtet.
Zubehör: Zangenwechsler für die Objektive, Kondensor-Ausschaltung, 1/4 Und. Glimmer, Gips-Rot I. Ord., polierter Schrank … 275,- Mk.
a.a.O. 205
Zweckentsprechende optische Ausrüstung:
a) Okular No. 2 und No. 3 mit zentrierbaren Fadenkreuzen à Mk. 12,- …Mk. 24,-
b) Objektive No.
0 4 7
Mk. 12,- 24,- 33,-
Quarzkeil I.-III. Ord. (Mk. 16,-) , 1 Schwarzmann’sche
Achsenwinkelskala (Mk. 0,75)… Mk. 85,75
Heinrich Ludwig Rudolf Fuess (1838 – 1917)
wird in Moringen geboren. Er geht 1853-57 beim Mechanicus Hermann Pfaff in Göttingen in die Lehre. In dieser Zeit besucht er an der dortigen Universität Vorlesungen zur Mathematik und hört Physik bei Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891) sowie Optik bei Johann Benedict Listing (1808 – 1882). Als Geselle arbeitet Fuess bei Hugo Schröder (1834-1902) in Hamburg und später beim Nivellierhersteller R. Löhmann in Berlin.
Am 01.04.1865 gründet Rudolf Fuess seine Firma mit Räumlichkeiten in der Mauerstraße 84 in Berlin-Mitte. Bereits in der Preisliste von 1865 werden drei verschiedene Mikroskopstative, drei Objektive und zwei Okulare (Vergrößerungen von 60- bis 300-fach linear) angeboten. Das junge Unternehmen zieht 1870 nach Kreuzberg in die Wasserthorstraße 46. Hier wird nach Angaben von Paul Groth (1843-1927) der erste „krystallographisch-optische Universalapparat“ gebaut, dieser junge Mineraloge hatte an der Universität Berlin 1868 promoviert und sich dort 1870 habilitiert. Anfangs werden in der Fuess’schen Werkstatt in der Wasserthorstraße Gesteinsdünnschliffe von eingesandten Proben angefertigt. In Zusammenarbeit mit dem 1868 an die Berliner Universität berufenen Justus Roth (1818-1892) werden kurz darauf erste systematische Dünnschliffsammlungen angeboten. Die Firma wächst weiter und zieht bereits 1873 in die Alte-Jakobstraße 108. Im Jahre 1875 wird die Firma J.G. Greiner & Geißler von R. Fuess übernommen.
Ab Anfang der 1870er bezieht das Unternehmen die Optiken der Mikroskope von Eduard Hartnack. In der Fachwelt der Zeit wird dies positiv hervorgehoben, da sich Fuess so einzig auf die durchdachte mechanische Ausführung der Mikroskope konzentrieren kann. Die rasch wachsende Firma übersiedelt 1892 nach Berlin-Steglitz und wird für die aus der Firma hervorgehenden Polarisationsmikroskope weithin gelobt; erst 1927 werden Mikroskope für biomedizinische Zwecke in das Fertigungsprogramm aufgenommen.
Erst ab Ende der 1870er werden die Mikroskope der Firma durchgehend signiert und nummeriert. Im Jahre 1898 wird das Mikroskop mit der Seriennummer 700 verkauft. Bis 1920 werden insgesamt nur 4000 Polarisationsmikroskope von Fuess gebaut.
Das Instrument taucht im Januar 2006 komplett in seine Einzelteile zerlegt bei der Haushaltsauflösung des verstorbenen ehemaligen Bürgermeisters der Stadt Holzminden, Dr. med. K. Köbbeling, auf und kann für die Sammlung erworben werden. Mit freundschaftlicher Unterstützung von Dr. Olaf Medenbach, Witten, werden die fehlenden Schrauben fachgerecht ersetzt und das Instrument gereinigt wieder zusammengebaut.
Vergleiche
Referenz 2, 29, 37, 39, 47, 58, 87, 88, 92, 93, 94