Frühes Präpariermikroskop

von Carl Zeiss

Frühes Zeiss Präpariermikroskop von 1870.

Das Stativ besteht aus geschwärztem und zaponiertem Messing, gebläutem Stahl und Leder. Zur Beleuchtung des Objekts dient ein vierfach gelagerter Spiegel, der für Auflichtuntersuchungen auch über die Tischfläche bewegt werden kann. Die Einstellung erfolgt über einen Zahntrieb mit schlichten Rändelrädern beidseitig der Säule. Das Objekt wird über zwei Klemmen auf dem Tisch gehalten.

Die optische Ausstattung setzt sich zusammen aus drei achromatischen Doublets die sowohl einzeln, als auch in Kombination genutzt und mit einer Okularlinse kombiniert werden können. Lineare Vergrößerungen von 8 – 100 sind mit dieser Zusammenstellung möglich. Die Verbindung von einem oder mehrerer solcher Doublets mit der Okularlinse wird als Brücke’sche Lupe bezeichnet.

Zur Ablage der Hände bei den Präparierarbeiten können zwei lederbezogene Backen seitlich am Tisch eingeschoben werden.

Auf dem Fuß ist das Mikroskop mit einfachen Schlagbuchstaben signiert:

1564C Zeiss Jena
45

Es handelt sich bei diesem Stativ um das sogenannte „Neue Präpariermikroskop“, welches 1869 eingeführt wird und das seit 1847 angebotene einfache Präpariermikroskop im Programm ergänzt. Bei der ersten Vorstellung des Instruments in der Literatur beschreibt Carl Zeiss mit einem Holzschnitt das Stativ als eine mechanische Konstruktion ähnlich dem Dissektionsmikroskop von Nachet in Paris (Carl Zeiss (1870) Ein neues Präparir-Mikroskop. Archiv für mikroskopische Anatomie VI: 234-236):

Ein neues Präparir-Mikroskop.

Von
 Carl Zeiss 
in Jena.*)
Hierzu ein Holzschnitt.

Das einfache Mikroskop in seine bisherigen Construction als Doublet, Triplet ist auch in der besten Ausführung mit dem Mangel behaftet, dass bei steigender Vergrösserung der Abstand zwischen Object und unterer Linsenfläche rasch abnimmt; daher das Präpariren unter demselben bei über 30 facher Vergrösserung schon sehr behindert, von 60 facher Vergrösserung an so gut wie unmöglich gemacht ist , wozu noch kommt, dass die geringe Höhe der Doublets den Beobachter zu einer sehr unbequemen Kopfhaltung nötigt.

Beide Nachtheile sind vollständig beseitigt durch eine neue Linsencombination, bei welcher durch Verbindung eines einfachen, doppelten oder dreifachen achromatischen Objectivsystems mit einer Ocularlinse ein Spielraum der Vergrösserung von 8-150 linear in angemessenen Abstufungen, und selbst bei der schärfsten Vergrösserung noch ein Objectabstand von 8-9 Mm. erreicht wird, während durch die Länge der Hülse, welche das Ganze bildet, in Verbindung mit den grossen Objectabständen, dem Auge die für die Kopfhaltung sehr bequeme Höhe von 70-80 Mm. über dem Objecttische angewiesen wird. Dabei ist namentlich die den stärkeren Vergrösserungen das Gesichtsfeld erheblich grösser als bei entsprechenden Doublets, während die Vollkommenheit des Bildes wenigstens in dem mittleren Theile des Gesichtsfeldes der beim zusammengesetzten Mikroskope gewohnten nicht nachsteht.

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Die Abstufung der Vergrösserung wird erreicht:

1) indem man das untere Linsensystem für sich ohne die das Ocularglas tragende Hülse benutzt (welche zu dem Zweck abgeschraubt werden kann) und zwar entweder die obere Linse allein, oder die beiden obern Linsen allein, oder das ganze System. [In solchem Fall erhält man die Wirkung sehr vollkommener Doublets von 15, 20 und 30 facher Vergrösserung.]

2) durch Verbindung der genannten drei Objectivcombinationen mit dem schwächeren der beiden beigegebenen Oculare, wodurch der Reihe nach Vergrösserungen 40, 60, 100 mit den Objectabständen 27, 16, und 9 Mm. erzielt werden. Endlich

3) indem man das ganze Objectivsystem mit dem zweiten schärferen Ocularglase verbindet, wodurch bei nahezu gleichem Abstande die Vergösserung auf 150 steigt.

Hierzu wird geliefert ein solid gearbeitetes metallenes Stativ, ähnlich dem von Nachet, welches vorstehender Holzschnitt in halber Grösse darstellt. Grosser feststehender Tisch, Bewegung der Linsen in senkrechter Richtung durch Zahn und Trieb; an dem Tisch sind ein paar mit Leder bezogene Flügel eingeschoben zum Auflegen der Hände beim Präpariren. Beleuchtung mittelst eines verhältnissmässig grossen Hohlspiegels, der nach allen Seiten beweglich und so eingerichtet ist, dass er auch zur Beleuchtung von oben statt einer Sammellinse benutzt werden kann, was vorzugsweise bei Lampenbeleuchtung Vortheil bietet.
Präpariermikroskop Carl Zeiss Jena Nr. 1564 von 1870. Das Ganze in einem polirten Mahagoni-Etui in Form eines Schränkchens, inclusive Linsen kostet…21 Thlr. Dasselbe mit dem Spiegel im Fuss nur zur Beleuchtung von unten…20 Thlr.

Der oben beschriebene rein optische Theil passt auch auf meine schon seit einer Reihe von Jahren gefertigten Stative zum einfachen Mikroskop und kann mittelst eines Zwischenringes zu den andern derartigen Stativen verwendet werden, zu welchem Zweck er auch für sich allein mit den beiden Ocularlinsen in besondern Etuis abgegeben wird zu…9 Thlr. Stativlupe, auch zum Gebrauch aus freier Hand geeignet, nach Art der Brücke’schen Lupe in kleineren Dimensionen; 6fache Vergrösserung, 8 Centimeter Focalabstand…3 Thlr. Dieselbe Lupe mit Stativ mit Kugelbewegung…7 Thlr.

*) Dem Wunsche des Herrn Zeiss, obige Anzeige und Beschreibung seines neuen Präparirmikroskopes in diesem Archiv zu veröffentlichen, entspreche ich gern, da ich mich von den vorzüglichen Leistungen seiner neuen Linsencombination überzeugt habe, mit Hülfe deren bei 100-150 facher Vergrösserung noch bequem mit Nadeln präparirt werden kann. Das Ocular ist wie bei der Brücke’schen Loupe eine Concavlinse.

Max Schultze.

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Das hier gezeigte Mikroskop Nummer 1564/45

wird als neues Präpariermikroskop am 05.04.1870 hergestellt und am 27.08.1870 an Kipp & Söhne nach Delft geliefert. Der Apotheker Petrus Jacobus Kipp (1808-1864) erwirbt 1830 eine Apotheke in Delft und handelt bald mit wissenschaftlichen Instrumenten. Mit Mitarbeitern der 1842 gegründeten Königlichen Akademie in Delft (heute bekannt als Delft Technical University) ist P.J. Kipp befreundet, in verschiedenen Gremien wirkt er als Berater. P.J. Kipp veröffentlicht erste eigene Instrumentenkonstruktionen 1844. Nach dem Tode P.J. Kipps 1864 führte seine Witwe mit einem ihrer Söhne das Unternehmen als Kipp & Zoon weiter. Ab 1866 führt der Apotheker Wilhelm Arnoldus Kipp mit seinem sich dem Instrumentenbau widmenden Bruder Anthonius Johannes Kipp das Unternehmen als Kipp & Zonen weiter – unter diesem Namen besteht das Unternehmen noch heute. Als wohl einer der größten Kunden der Firma in Delft kann 1870 die dortige Universität gelten. Höchstwahrscheinlich wird dieses Mikroskop direkt dort bzw. von einem dort arbeitenden Wissenschaftler eingesetzt.

Dieses Mikroskop kann im Oktober 2007 aus den Niederlanden für die Sammlung erworben werden.

Abbildung entnommen aus: Friedrich Merkel: Das Mikroskop und seine Anwendung (Rudolph Oldenbourg, München 1875): 43

Im Preisverzeichnis Nr. 17 von 1869 wird das Präpariermikroskop noch nicht angeboten, es erscheint erstmals im Anhang des Preisverzeichnisses Nr. 18 Mikroskope und Nebenapparate von Carl Zeiss in Jena. aus dem Jahre 1871. Hier wird es geführt als:

Nachtrag

[…]

Nr. 91 Neues Präparier-Mikroskop mit grossen Focalabständen u s.w. siehe die betr. Beilage mit Abbildung und näheren Angaben…Thlr. 20 und Thlr. 21

Im Preisverzeichnis Nr. 19 Mikroskope und Nebenapparate von Carl Zeiss in Jena. aus dem Jahre 1872 wird dieses Stativ angeboten als:

Einfache Mikroskope und Lupen.

Nr. 42 Neues Präparirmikroskop Schwerer viereckiger Fuss, grosser Tisch, an welchem lederüberzogene Präparirbacken angesteckt werden; Einstellung durch Zahn und Trieb; beweglicher Holhspiegel, der sich auch zur Beobachtung von oben verwenden lässt. – Das zugehörige optische System besteht in einem Objectiv aus drei achromat. Linsen und einem concaven Ocularglase. das Objectiv kann entweder mit allen drei Linsen, oder mit den beiden oberen oder mit der obersten allein benutzt werden, wodurch die Vergrösserungen 100, 60, 40 erzielt werden. Ein beigegebenes schärferes Ocularglas steigert die Vergrösserung auf 150, während die Objectivlinsen einzeln benutzt Lupen von ausgezeichneter Schärfe mit resp. 30, 20, 15facher Vergr. abgeben. Der Focalabstand ist bei den zwei höchsten Vergrösserungen mit der ganzen Combination noch 9 Mm., bie der schwächeren beträchtlich grösser bis 27 Mm. (Vergl. max Schultze’s Archiv für mikr. Anatomie, Bd. VI 1869 [sic!]) Das Ganze in verschliessbarem Schränkchen mit Handhabe…24 Thlr

Nr. 43 Das Linsensystem allein, zum Gebrauch mit anderen Stativen, in besonderem Etuis…10 Thlr.

Über Carl Zeiss

zeiss_1846_esche_1966Carl Zeiss (1816-1888) wird als Kind fünftes Kind des Hofdrechselermeisters Johann Gottfried Zeiß in Weimar geboren. Nach seinem Schulbesuch in Weimar absolviert Carl Zeiss 1834-1838 eine Mechanikerlehre beim Universitätsmechaniker Dr. Friedrich Körner in Jena. Nach Abschluß der Lehre besucht Zeiss 1835-1838 Vorlesungen der Universität Jena in Mathematik, Experimentaphysik, Antropologie, Mineralogie und Optik. Es schließen sich 1838-1845 Wanderjahre mit Stationen in Stuttgart, Wien, Berlin und Darmstadt an. Im Jahre 1845 kommt Carl Zeiss wieder nach Jena und absolviert ein Praktikum am physiologischen Institut bei Prof. M. J. Schleiden.

Carl Zeiss wird die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf von mechanischen und optischen Instrumenten in Jena am 19.11.1846 durch die Großherzogliche Landesregierung in Weimar erteilt. Die erste Werkstätte befindet sich in der Neugasse 7 in Jena. Im Juli 1847 zieht die Werkstatt in die Wagnergasse 32 und im August diesen Jahres wird als erster Lehrling August Löber eingestellt. Im September 1847 wird die Produktion einfacher Lupenmikroskope, entsprechend dem hier gezeigten Instrument, aufgenommen. Erst 1857 werden die ersten zusammengesetzten Mikroskope in der Zeiss’schen Werkstatt gefertigt. 1866 wird das 1000. Mikroskop hergestellt; kurz darauf beginnt im selben Jahr die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe. 1872 schließlich werden die Optiken der Mikroskope nach Abbes Berechnungen konstruiert.

Zum Exponat

Dieses Mikroskop kann im Oktober 2007 aus den Niederlanden für die Sammlung erworben werden.

Referenzen und Verweise

Vergleiche:

Optisches Museum der Ernst-Abbe-Stiftung Jena: „Mikroskop Zeiss Stativ VI / um 1870“ signiert auf Fuß „C Zeiss Jena“ und „5 / 1481“; Referenz 2, 25, 54, 62, 70, 130

(Datierung mit freundlicher Unterstützung von Carola Rosenstiel für Dr. Wolfgang Wimmer, Carl Zeiss Archiv, 24.10.2007)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.