Zeiss Mikroskop Stativ VIIa

aus dem Labor von Josef Knechtel und Robert Koch

Zeiss Mikroskop Stativ VIIa von 1877.

Mikroskop aus zaponiertem sowie brüniertem Messing und gebläutem Stahl. Das Instrument verfügt über einen Schiebetubus und eine Feineinstellung über Prismentrieb an der Säule. Die Beleuchtung erfolgt mittels kipp-, dreh- und schwenkbarem Plan- und Konkavspiegel sowie Zylinderlochblende in Schwalbenschwanzführung.

An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop über das Objektiv Zeiss aa Nr. 89 in passender Messinghülse und die Okulare Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4. Zwei weitere Messinghülsen für die Objektive Zeiss BB und Zeiss E sind im Kasten weiterhin vorhanden, die Objektive dazu fehlen jedoch.

Auf dem rechteckigen Fuß ist das Mikroskop mit Schlagbuchstaben signiert:

3479. C. Zeiss. Jena.

Der Seite 171 des Auslieferungsbuchs der Firma Carl Zeiss Jena ist zu entnehmen, dass dieses Stativ VIIa im Oktober 1877 als 2511. zusammengesetztes Mikroskop fertiggestellt wird.

Im Zeiss-Katalog No. 25. Illustrirrter [sic!] Katalog über Mikroskope und Nebenapparate aus der optischen Werkstätte von Carl Zeiss in Jena. erscheint dieses Stativ im Januar 1881 wie folgt:

No. 28. Stativ VII (früher II). Mittlere Grösse; Höhe des Oculars über der Standfläche 28 Cm. Schwerer viereckiger Fuss, fester Tisch ohne Drehungen. Etwas massiv gebaut, namentlich für den Gebrauch in Laboratorien und für Lehranstalten geeignet, übrigens aber, wehen der Feinheit der Mikrometerbewegung, noch mit den stärksten Linsen verwendbar.

a) Mit Cylinderblendung in Schlitten…Mk. 65

b) Mit drehbarer gewölbter Blendungsscheibe…Mk. 60

Seit der Herstellung zusammengesetzter Mikroskope ab 1857 bis 1881 werden nach dem Auslieferungsbuch von Carl Zeiss in die kleine Stadt Wollstein insgesamt nur drei Mikroskope ausgeliefert – alle an den Apotheker Josef Knechtel. Im einzelnen sind dies:

No. 2999, Stativ Ib neuer Konstruction mit Kondensor, mit Okular 1, am 30.12.1876

No. 3360, Stativ I mit den Objektiven AA, H und K sowie den Okularen 2 und 4, am 20.02.1878

No. 3479, Stativ VIIa, ohne Optiken, am 12.03.1878

Bei dem hier gezeigten Stativ handelt es sich um eben das letzte dieser Liste, gefertigt am 22.X.1877 und ausgeliefert am 12. März 1878 an J. Knechtel, Wollstein.

Robert Koch (1843-1910)

wird in Clausthal geboren und studiert in Göttingen ein Semster Physik bevor er das Studium der Medizin aufnimmt. Die Promotion und das anschließende Staatsexamen besteht er 1866 in Hannover. Er arbeitet als Arzt in Krankenhäusern in Niemegk / Potsdam (1868) und Ragkwitz / Posen (1869) und meldet sich als Freiwilliger während des Feldzugs gegen Frankreich 1870/71 um seinen Dienst im Lazarett zu leisten. 1872 legt Robert Koch die Physikat-Prüfung ab und wird zum Kreisphysikus im Kreis Bomst / Posen mit Wohnort Wollstein (heute Wolsytn, Polen) ernannt.

Koch legt den Grundstein der modernen bakteriogischen Forschung durch die Entwicklung fester Nährböden zur Züchtung von Bakterien und insbesondere zur Einführung der Mikrofotografie. Letztere ermöglicht die Ablösung der mit den verschiedenen Zeichnenapparaten erstellten Illustrationen durch fotografische Bilder, welche vor allem als Beweisstück der gemachten Entdeckung dem Fachpublikum präsentiert werden können.

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1876 entdeckt Koch die Milzbrandsporen als Ruheform des Erregers, es gelingt ihm damit die bis daher unverstandenen gesamten Infektionskette zu erklären. Genau beschriebene Methoden und präszise experimentelle Arbeiten bilden die Grundlage einer logisch aufgebauten Beweiskette, mit welcher Robert Koch als erster den Zusammenhang eines Mikroorganismus als Ursache einer Infektionskrankheit nachweist.

1880 wird Koch an das 1876 gegründete Kaiserliche Gesundheitsamt nach Berlin berufen, hier gelingt es ihm 1882 den Erreger der Tubuerkulose nachzuweisen. Schon 1884 kann Robert Koch während einer Choleraepidemie in Indien das Bakterium Vibrio cholerae als Erreger dieser Infektionskrankheit nachweisen.

1885 wird Robert Koch zum ersten Professor für Hygiene in Berlin an die Friedrich Wilhelms-Universität berufen von wo aus er 1891 als Direktor an das Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten (seit 1942 Robert Koch Institut) wechselt.

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Robert Kochs physikalisches Verständnis

lässt ihn in den 1870ern die Funktion der Mikroskopoptiken beschreiben und ermöglicht ihm, die Qualität der mikroskopischen Bilder auch in Hinblick auf ihre physikalischen Grundlagen zu bewerten. Dies ist die notwendige Bedingung, für seine eigenen medizinischen Arbeiten dem jeweiligen Zweck entsprechende optimale Optiken auszuwählen.

Obwohl Robert Koch in seiner Zeit in Wollstein mehrfach Mikroskopoptiken von Carl Zeiss bewertet, wird an ihn persönlich nach dem Werkstattbuch von Zeiss kein einziges Stativ ausgeliefert. Der Schluß liegt nahe, dass es sich bei den von Robert Koch beschriebenen Zeiss’schen Mikroskopen um die drei an Josef Knechtel gelieferten Instrumente handelt. Trifft dies zu, so kann davon ausgegangen werden, dass Robert Koch das hier gezeigte Mikroskop für einfachere Arbeiten verwendet.

Zenobiusz Bednarski und Hanna Bednarska beschreiben in einem nur auf Polnisch verfügbaren Artikel Pierwsza praca naukowa Roberta Kocha nad ustaleniem etiologii waglika. Wspolpraca z polskim aptekarzem Josefem Knechtelem (Archiwum Historii i Filozofii Mediycyny 66 (2), 2003: 161-168) Josef Knechtel als Apotheker in Wollstein, der neben seiner Apotheke ein für damalige Verhältnisse gut ausgestattetes Labor besitzt. Mehrere Dokumente werden von der Witwe J. Knechtels im Jahre 1905 dem Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten übergeben, diese bezeugen angeblich, dass Josef Knechtel einen maßgeblichen Anteil an den wissenschaftlichen Ergebnissen von Robert Koch in seiner Zeit in Wollstein habe. Die Witwe Knechtels überlässt dem Institut mehrere Geräte (darunter ein großes Mikroskop aus Jena) mit der Bedingung, der Beitrag ihres Mannes solle am Ausstellungsort erwähnt werden. Prof. Dr. Georg Theodor August Gaffky, der Direktor des Instituts, dankt für die Instrumente und beschriftet sie mit dem Namen des Eigentümers.

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Der oben genannte Artikel aus dem Jahre 2003 bezieht sich im weiteren auf einen Brief, der angeblich im Deutschen Zentralarchiv in Merseburg aufgefunden wurde. Die Bestände dieses Archivs wurden bereits 1993/94 in das Geheime Preußische Staatsarchiv nach Potsdam übertragen. Jener Brief des Medizinalrats Dr. Brinkmann aus Wollstein an seinen Vorgesetzten besage, der wohlhabende Besitzer der einzigen Apotheke vor Ort, Josef Knechtel, habe einen beträchtlichen Beitrag zur Erforschung der Ätiologie des Milzbrandes geleistet. Koch und Knechtel haben nach Brinkmann die Tierversuche gemeinsam durchgeführt und oft nächtelang durchmikroskopiert. Brinkmann beruft sich für seine Aussagen auf eine angeblich große Zahl von Zeugen. Brinkmann schreibt, Koch habe sich damals nicht selbst ein Mikroskop leisten können [diese Aussage ist falsch, im Dezember 1876 wird von W. & H. Seibert ein Mikroskop an Koch verkauft] und daher das Instrument von Knechtel benutzt. In einem anderen Abschnitt wird von Knechtels Mikroskopen gesprochen und der Ausstattung des Labors mit einem Tisch und zwei Stühlen zum Mikroskopieren.

Bruno Heymann: Robert Koch, I. Teil 1843 – 1882 (in: Wilhelm Ostwald [Hrsg.]: Grosse Männer / Studien zur Biologie des Genies Bd. 12. Akademische Verlagsgesellschaft m.b.H., Leipzig 1932: 114) schreibt über Kochs Verhältnis zu Knechtel: Nur mit dem Apotheker, namens Josef Knechtel, einem älteren Manne, welcher selbst naturwissenschaftliche Neigungen hatte, sich lebhaft für Kochs Untersuchungen interessierte und ihm gelegentlich mit Laboratoriumsgeräten aushalf*, unterhielt er auch späterhin einen regen Verkehr.

* Nach freundl. Mitteilung des Schwiegersohnes, Herrn A. Knechtel, Swietochlowice.

Ferner erwähnt Brinkmann aus diesem Labor einen Apparat mit Linsen, wahrscheinlich zum photographieren der Präparate.

Robert Koch bekommt im Oktober 1876 einen mikrophotografischen Apparat von Seibert geliefert, den er für seine Bakterienphotogramme verwendet. Nicht unwahrscheinlich ist es eben dieser Apparat aus dem Besitze Kochs, den Brinkmann beschreibt. Trifft diese Annahme zu, so wird das erwähnte Labor von Knechtel und Koch nicht nur gemeinsam genutzt sondern auch aus den privaten Mitteln beider Männer gemeinsam ausgestattet.

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Robert Koch beschreibt als Kreisphysikus in Wollstein

in Untersuchungen über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten (F.C.W. Vogel, Leipzig 1878) wie er zur Sichtbarmachung gefärbter Präparate verschiedene Linsensysteme und Beleuchtungsarten testet: Nachdem ich nun verschiedene Linsen und Condensoren nach dieser Richtung versucht hatte, ohne dass ich einen Apparat traf, der das Structurbild mehr oder weniger vollkommen beseitigte, fand ich schliesslich in dem von Carl Zeiss in Jena angefertigten von Abbe angegebenen Beleuchtungsapparat ein meinem Zweck vollständig entsprechendes Instrument.

Dieser Apparat besteht aus einer Linsencombination, deren Brennpunkt nur einige Millimeter von der Frontlinse entfernt ist. Wenn die combinirte Belechtungslinse also in der Oeffnung des Mikroskoptisches und zwar ein wenige tiefer als die Tischebene sch befindet, dann fällt der Brennpunkt mit dem zu beobachtenden Object zusammen und letzteres erhält in dieser Stellung die günstigste Beleuchtung. Der Oeffnungswinkel der ausfahrenden Strahlen ist so gross, dass die äussersten derselben in einer Wasserschicht fast 60° gegen die Axe geneigt sind, der gesammte wirksame Lichtkegel demnach eine Oeffnung von 120° also eine grössere Oeffnung als irgend ein andrer Condensor besitzt.1)

1) Naegeli und Schwendener l.c.S. 99.

Das Urteil über die zu verwendenden Optiken fällt deutlich aus:

Für die Verwendung des Abbe’schen Beleuchtungsapparates mache ich noch darauf aufmerksam, dass nur solche Systeme mit demselben ein scharfes, nicht verschleiertes Farbenbild geben, bei denen sämmtliche Zonen der Objectivöffnung richtig corrigirt sind. Die aus der Zeiss’schen Werkstatt hervorgehenden Objectivsysteme werden vermittelst des Abbe’schen Condensors auf das richtige Zusammenwirken der einzelnen Zonen, namentlich der Randzonen geprüft. Diese eignen sich deswegen sämmtlich zur Beobachtung von Farbenbildern, ganz besonders die neuen nach den Angaben von Abbe construirten Oelsysteme. Bei anderen Systemen, welche ich zu demselben Zweck versuchte, waren fast immer die Randzonen ungenügend corrigirt. Nur noch mit einem System von Seibert und Krafft habe ich scharfe Farbenbilder erhalten.

Für die begleitenden Abbildung in diesem Buch schreibt Robert Koch 1878:

Sämtliche Abbildungen sind mit dem Zeichnenprisma möglichst naturgetreu grösstentheils mit Benutzung des C. Zeis’schen [sic!] Oelimmersionssystem 1/12 Zoll angefertigt.

Koch steht für diese Arbeiten offenbar eines der ersten Ölimmersionssysteme von Zeiss zur Verfügung. Während hier noch Zeichnungen der Illustration dienen, erstellt Koch bereits zuvor seine ersten Bakterienphotogramme mit einem mikrofotografischen Apparat und entsprechenden Photoobjektiven von Seibert.

Das hier gezeigte Mikroskop verfügt über keinen Abbe’schen Beleuchtungsapparat, jedoch über einen in die Zylinderblende integrierten selbst gebauten Kondensor. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, wer den Kondensor in dieses Stativ eingebaut hat.

Über Carl Zeiss

zeiss_1846_esche_1966Carl Zeiss (1816-1888) wird als Kind fünftes Kind des Hofdrechselermeisters Johann Gottfried Zeiß in Weimar geboren. Nach seinem Schulbesuch in Weimar absolviert Carl Zeiss 1834-1838 eine Mechanikerlehre beim Universitätsmechaniker Dr. Friedrich Körner in Jena. Nach Abschluß der Lehre besucht Zeiss 1835-1838 Vorlesungen der Universität Jena in Mathematik, Experimentaphysik, Antropologie, Mineralogie und Optik. Es schließen sich 1838-1845 Wanderjahre mit Stationen in Stuttgart, Wien, Berlin und Darmstadt an. Im Jahre 1845 kommt Carl Zeiss wieder nach Jena und absolviert ein Praktikum am physiologischen Institut bei Prof. M. J. Schleiden.

Carl Zeiss wird die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf von mechanischen und optischen Instrumenten in Jena am 19.11.1846 durch die Großherzogliche Landesregierung in Weimar erteilt. Die erste Werkstätte befindet sich in der Neugasse 7 in Jena. Im Juli 1847 zieht die Werkstatt in die Wagnergasse 32 und im August diesen Jahres wird als erster Lehrling August Löber eingestellt. Im September 1847 wird die Produktion einfacher Lupenmikroskope, entsprechend dem hier gezeigten Instrument, aufgenommen. Erst 1857 werden die ersten zusammengesetzten Mikroskope in der Zeiss’schen Werkstatt gefertigt. 1866 wird das 1000. Mikroskop hergestellt; kurz darauf beginnt im selben Jahr die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe. 1872 schließlich werden die Optiken der Mikroskope nach Abbes Berechnungen konstruiert.

Zum Exponat

Dieses Mikroskop kann im Juli 2007 über einen Berliner Händler aus Polen für die Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche:

Referenz 2, 25, 54, 62, 70, 136 sowie Optisches Museum Oberkochen: „Zusammengesetztes Mikroskop Carl Zeiss um 1870“, signiert: „1446 / 2360 / C. Zeiss Jena“ (fertiggestellt 1874, Anmerkung des Verfassers); Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum Wien: „Zusammengesetztes Mikroskop um 1877 / Signatur: Carl Zeiss, Jena, 3452“, mit Lochblendenscheibe statt Zylinderblendung, Museal-Nr. 25.766

(Übersetzung von Bednarski Z, Bednarska H (2003) Archiwum Historii i Filozofii Mediycyny 66 (2), 161-168 mit freundlicher Unterstützung von Dr.med. Anita Pieronczyk)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.