Salon- und Schülermikroskop nach Engell
Schäffer und Budenberg
Salon- und Schülermikroskop nach Engell, Schäffer und Budenberg, Buckau bei Magdeburg um 1865.
Das Mikroskop ist gefertigt aus zaponiertem, geschwärztem und vernickeltem Messing.
Engell’s Patentmikroskop: Beschreibung im FußDas schlichte Mikroskop verfügt über einen Schiebetubus zur groben und feinen Fokussierung. Die Tubushülse kann wahlweise angeschraubt werden an ein konisches Tischstativ mit einfach gelagertem Hohlspiegel aus poliertem Blech oder an einen großen Lieberkühnspiegel mit Objekthalter, um das Mikroskop frei in der Hand zu halten.
Im Fuß des Tischstativs prangt in dekorativem Druck eine Plakette, welche darauf verweist, dass die Optiken des Mikroskops vom zu seiner Zeit renommiertesten Mikroskophersteller in Kontinentaleuropa stammen: Edmund Hartnack als Nachfolger von Georg Oberhäuser:
Ocular & Linsen-Systeme von E. Hartnack
Nachfolger
von
G. Oberhäuser in Paris.
Schaeffer & Budenberg
in
Buckau-Magdeburg.
Entsprechend ist das Gerät ausgestattet mit einem Hartnack Objektiv Nr. 4 und einem Okular Nr. 2 dieses Herstellers.
Ausführlich ist die vorgesehene Verwendung des Mikroskops in der entsprechenden mehrfarbig gedruckten Plakette der Abdeckung des Reflektorspiegels im Objekthalter für den Handgebrauch vermerkt:
Engell’s Patent-, Schul- und Salon-Mikroskop
Ocular- & Linsen-Systeme von E. Hartnack
successeur
de George Oberhäuser
à Paris
Gebrauchs-Anweisung.
Man legt das Object in den Einschnitt des schwarzen Randes und dreht dasselbe so hinter den schwarzen Rand, dass der Mittelpunkt des Objects unter die Linse kömmt.
No. .. ..
Schaeffer & Budenberg in Buckau-Magdeburg
Das für die Seriennummer vorgesehene Feld dieses Papiers ist leider nicht ausgefüllt. Zerlegt wird das kleine Mikroskop in einer Holzschatulle aufbewahrt.
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Das 1850 in Zürich gegründeten Unternehmen August Menzel & Comp wird 1852 in das mikroskopische Institut Engell & Comp. umbenannt und siedelt nach Wabern bei Bern um. Das Institut trägt den Mädchennamen des Besitzers: Conrad von Rappard (1805-1881), der als politisch aktiver Jurist nach 1849 Deutschland verlassen muss und sich fortan der Mikroskopie widmet. Das Unternehmen stellt mikroskopische Präparate her, welche in Deutschland durch Schäffer und Budenberg vertrieben werden. C. v. Rappard erwirbt 1855 das Hotel Giessbach, baut dieses aus und erweitert das Mikroskopische Institut.
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Auf Grund eines chronischen Augenleidens muss v. Rappard die Mikroskopie jedoch wieder aufgeben und wendet sich daraufhin dem Bergbau zu, um nach der Begnadigung durch Kaiser Wilhelm I. im Jahre 1871 Mitglied des Reichstags zu werden.
Dieser Urtyp des Salonmikroskops wird von Pieter Harting in der universitären Lehre angewendet, nachdem ihm dessen Erfinder das kleine Instrument persönlich vorstellt. Entsprechend beschreibt Harting das nützliche Handmikroskop ausführlich und stellt es in seinem Standardwerk zur Mikroskopie als Ansicht und im Schnitt dar (P. Harting: Das Mikroskop. Geschichte und gegenwärtiger Zustand des Mikroskopes. III. Band. Zweite wesentlich verbesserte und vermehrte Auflage. Vieweg und Sohn, Braunschweig 1866: 196-197):
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Bei A zeigt sich das äusserst einfache Instrument von der Seite. B. ist ein Durchschnitt des Objectivabschnittes desselben. In einem äusseren Rohre a gleitet das innere Rohr b, woran das Objectiv befestigt ist, so wie an dem fehlenden Ende das Ocular. An das äussere Rohr ist der weite und trichterförmige Patentobjecthalter c angeschraubt, worin ein grosser Hohlspiegel d mit ringeförmigem ebenen Aussenrande e befindlich ist, und dieser rand wird durch eine Spiralfeder g an den enstprechenden Vorsprung f des Objecthalters angedrückt. Zwischen c und f werden die Enden der Objecttäfelchen engeklemmt. Bei C sieht man von vorn auf den Patentobjecthalter, worin ein Objecttäfelchen eingeklemmt ist, Man fasst dieses Mikroskop einfach mit der Hand und richtet es auf den hellen Himmel oder auf eine andere Lichtquelle wodurch der Hohlspiegel Beleuchtungsapparat für undurchsichtige Objecte wird.
Mit einem Hartnack’schen Objective Nr. 4 versehen kostet das ganze Mikroskop 12 Thaler, und man hat beinahe eine 100malige Vergrösserung. Mit einem stärkeren Objective, so dass es 200 Mal vergrössert, so wie mit einer Mikrometerschraube zu feiner Einstellung kostet es 18 Thaler.
Dieses kleine Instrument eignet sich recht gut zur Demonstration solcher mikroskopischer Objecte, die keiner gar zu starken Vergrösserung bedürfen. Ist das Object ins Gesichtsfeld gebracht und das Mikroskop richtig eingestellt, so lässt man es von Hand zu Hand gehen, und die Einstellung kann jeden Augenblick nach dem Bedürfnisse des Auges modificirt werden. Vor zwei Jahren lernte ich es durch Herrn v. Rappard in Interlaken kennen, ich liess mir ein Paar kommen und brauche dieselben täglich in den Vorlesungen, wo die Benutzung anderer Mikroskope für eine grössere Anzahl von Zuhöreren unthunlich ist. Man darf natürlich nicht mehr von diesem Mikroskop verlangen, als es leisten kann. Für feine Einzelheiten der histologischen Bildung passt es nicht: es reicht aber vollkommen aus, um Pflanzendurchschnitte, Algen, kleine Thiere zu demobstriren, oder um einzelne Theile und Organe, wie Schneckenzunge, das Hautskelet der Echinodermen, Knochen- und Zahnschliffe, Muskeln, Injectionspräparate u. s. w. zu beschauen.
Wird das Mikroskop zum Feststellen eingerichtet und mit einem Beleuchtungsapparate versehen, dann kostet es 3 Thaler mehr.
Dieser Mikroskoptyp findet recht große Verbreitung und wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor allem von Paul Waechter in verschiedenen Variationen als Handgerät angeboten. Das hier gezeigte Mikroskop wird im Oktober 2011 von Stuart Warter, Huntington Beach, CA, USA an diese Sammlung zu seinem damaligen Einkaufspreis abgegeben.
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Dieser Mikroskoptyp findet recht große Verbreitung und wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts vor allem von Paul Waechter in verschiedenen Variationen als Handgerät angeboten. Das hier gezeigte Mikroskop wird im Oktober 2011 von Stuart Warter, Huntington Beach, CA, USA an diese Sammlung zu seinem damaligen Einkaufspreis abgegeben.
Vergleiche:
The Microscope Collection at the Science Museum London: „Engell-Type Demonstration Microscope“, unsigniert, Inventory No. A203324;
Optisches Museum Oberkochen: „Hand-Mikroskop“; Pathologisch-anatomischen Bundesmuseum Wien: „Zusammengesetztes Mikroskop um 1880 / Signatur: unsigniert (Waechter-Typ)“, Museal-Nr. 32.017