Berliner Hufeisenmikroskop

wohl Wasserlein

Hufeisenmikroskop, Berlin;

zaponiertes und geschwärztes Messing, gebläuter Stahl, Federstahl, um 1875. Hufeisen-Knickstativ, Auszugstubus mit Grobeinstellung über eine Schiebeführung, Feinfokus mittels Rändelschraube an der Säule, Plan- und Konkavspiegel. Das Oberteil des Mikroskopes läßt sich um die optische Achse drehen. In der unter dem Tisch befindlichen Halterung mit seitlicher Schwalbenschwanzführung wird eine Schiebehülse geführt, auf welche wiederum eine Lochblende geschraubt ist – durch eine Feder und zwei Stellschrauben läßt sich diese Hülse zentrieren. Das Mikroskop ist mithin für Polarisation vorgesehen, aber nicht mit den zusätzlichen Apparaten ausgerüstet.

Ausgestattet ist das im Kasten liegend untergebrachte Instrument mit den Objektiven Nr.1, Nr.7, Nr.9 und Nr.10 sowie den Okularen Nr.1, Nr.2, Nr.3 und Nr.4. Für letztere sind ferner zwei Okularmikrometerplatten in Pappdöschen vorhanden.

Zur weiteren Ausrüstung des Mikroskopes gehören eine Objektmikrometerplatte von 22 x 48 mm2 mit der Signatur 1mm in 100 Carl Zeiss Jena in samtausgekleidetem Kästchen (keine photographische, sondern eine geritzte Platte!).

Darüber hinaus ist dem Mikroskop ein Deckglasdickenmesser aus gewölktem und zaponiertem Messing bzw. gebläutem Federstahl mit metrischer Skala, Rückstellfeder und Nonius in Pappschachtel beigefügt. Dieser „Deckglastaster“, wie er in der Literatur der Zeit genannt wird, ist in der vorliegenden Konstruktion eine Erfindung von Carl Zeiss Jena aus den 1870ern.

Mehrere unbenutzte Objektträger, ein Uhrglas und ein zaponiertes Messinglineal runden das Ensemble ab.

Vier dieser Nebenapparate erscheinen in der Zeiss’schen Preisliste von 1885:

Nebenapparate.

No.3. Objektivmikrometer. Ein Millim. in 100 Theile getheilt; auf einem Objektträger in Etui … 10 M.
No.3. Objektivmikrometer. Ein Millim. in 100 Theile getheilt; auf einem Objektträger in Etui … 10 M.
No.13. Deckglastaster einfacherer Konstruktion … 12 M.
No.14. Maassstab [sic!]  auf Messing, 100 Mm., mit fazettirter Kante … 1.50 M.

Utensilien zum Präpariren.
No.72. Kompressorium nach Schacht … 18 M.

Am Design der Tubusaufnahme, des Hufeisenfusses und die Fassung der Okularlinsen deutet die Handschrift der Werkstätte von Bénèche & Wasserlein, Berlin an. Bisher konnte eine Herstellerzuordnung nicht eindeutig vorgenommen werden, sicher scheint aber, daß es sich bei dem Mikroskop um ein Produkt aus Berlin um 1875 handelt.

In „Das Mikroskop“ (J. Vogel; 3. Auflage; Berlin 1879) findet man eine Preisliste von Wasserlein, in der ein sehr ähnliches achromatisches Mikroskop wie folgt beschrieben ist:

Grosses Mikroskop mit Hufeisenfuss und Charnier zum Umlegen des Stativs; drehbarem Tisch; feiner Einstellung am Tubus; horizontal und vertical verstellbarem Doppelspiegel; Tischklemmen; Cylinderblendung mit Schlittenvorrichtung; und mit allseitiger Verstellbarkeit; Ocularmikrometer 0,1 Mm., 3 Okularen, System 2. 5. 7. 9. 10. Tubus mit Auszug zur Reduction der Vergrößerung auf die Hälfte. Mit ausgezogenem Tubus vierzehn Vergrösserungen von 30 bis 1400 linear. In verschliessbarem Mahagonikasten … 240 Reichsmark.

Die Ähnlichkeit dieser Beschreibung mit der optischen Ausstattung und die Konstruktion – insbesondere die Art des Gelenkes, dem überkragenden Rand der Tubusschiebehülse, etc. – des hier gezeigten Statives legt den Schluß nahe, daß es sich um ein Mikroskop aus Wasserleins Werkstätte handelt.

Andererseits sprechen verläßliche Quellen dieses Instrument eher der Firma J.Klönne & G.Müller, Berlin zu. Die Firma baute Mikroskope die in Feineinstellung und Beleuchtungseinrichtung den Instrumenten von Bénèche sehr ähneln. Gegründet wurde dieser Betrieb 1875 (1885 ansässig in der Prinzenstrasse 69) und erlangte erstmal Aufsehen während der Berliner Gewerbeausstellung 1879. Dort wurde ein Demonstrationsmikroskop gezeigt, welches ausgestattet war mit einem ungewöhnlich großen drehbaren Rundtisch, der es erlaubte 8 Präparate zentral um die Säule angeordnet aufzulegen. Umfangreiche Präparatesammlungen für Lehrzwecke, einfache Testpäparate und Mikroskope für Apotheker stellten ferner das Lieferprogramm der Firma dar.
So könnte es sich hier auch um das „Arbeitsmikroskop für Apotheker“ von J.Klönne & G.Müller, Berlin handeln. Jenes Instrument gleicht dem Stativ „B“ von Bénèche sogar bis auf das tief angebrachte Gelenk zum Umlegen. Einzig die Spiegelanbringung gestaltet sich anders als bei Bénèche und zwar eben wie an dem hier vorgestellten Instrument. Auffallend ist zudem die Herkunft des Mikroskops:

Dieses Instrument stammt aus dem Nachlaß eines Apothekers und war zu seiner Zeit im Landkreis Celle eingesetzt worden.

Referenzen und Vergleiche

Bestimmung des Zubehörs mit freundlicher Unterstützung von Dr. Olaf Medenbach, Ruhr-Universität Bochum; Daten zu J.Klönne & G.Müller mit freundlicher Unterstützung von Dieter Wanderka, Berlin

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.