Kleinstes Mikroskop

von Friedrich Belthle in Wetzlar

Kleines Belthle Mikroskop; Stativ 4a von 1866.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Die Grobeinstellung erfolgt über eine Schiebehülse. Zur Feineinstellung dient ein Mohl’scher Tisch bei dem durch eine Rändelschraube die Tischplatte seitlich angehoben und damit um einen kleinen Winkel verkippt wird.

Der Hohlspiegel ist an der Stativsäule befestigt und dreifach gelagert; unter der Tischplatte befindet sich eine Revolverlochblendenscheibe mit vier runden Aperturen und einer Schlitzblende.

Auf dem Tubusträger befindet sich die eingeschlagene Signatur:

C. Kellner’s Nachf:
Fr. Belthle
in
Wetzlar.
No. 879.

Wie auch schon die Mikroskope von Carl Kellner verfügt dieses kleine Mikroskop über eine Kompensationsschraube zur Nachstellung der Ganggenauigkeit der Feineinstellung. Bei deutschen Mikroskopen ist diese sehr zweckmäßige mechanische Besonderheit in den späten 1850ern bis zum Ende der 1860er nur bei den Mikroskopen aus dem Umfeld von Carl Kellner und Moritz Hensoldt zu finden.

Zum Fertigungszeitpunkt dieses Instruments ist Ernst Leitz bereits Teilhaber am Optischen Institut.

Das hier gezeigte Instrument ist noch in allen Details in der Originalausstattung erhalten.

An Optiken finden sich im Kasten

die Objektive mit eingeschlagenen Zahlen und von Hand leicht graviertem Herstellernamen 0. F.B., 1. Fr. Belthle, und 3. Fr. Belthle und die Okulare I und II, deren Hülsen noch original zaponiert sind. Auf der Vergrößerungstabelle sind nur die beiden stärkeren Systeme erfasst, mit ihnen können lineare Vergrößerungen von 60- bis 500-fach erzielt werden.

Bemerkenswert ist, dass nach der beigefügten gedruckten und mit Bleistift ergänzten Gebrauchsanleitung des Mikroskops auch das im Kasten liegende Probeobjekt Hyparchia Janira noch zur ursprünglichen Auslieferung gehört.

Im Kasten liegend und mit abgenommenem Tubus

wird das Mikroskop aufbewahrt, eines der Objektive wird dabei in den Deckel der Holzschatulle geschraubt. Das Schlüsselloch dieses Kastens ist mit einem gedrechselten Stück Horn eingefasst.

Dieses Mikroskop stellt das kleinste von drei angebotenen Stativtypen

aus der Werkstatt Fr. Belthle (C. Kellner’s Nachfolger) dar. Ein bis auf die Tubushalterung identisches Stativ wird von Leopold Dippel (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil. Friedrich Viweg und Sohn, Braunschweig 1867: 151) beschrieben als:

Das kleinste Mikroskop (Nr.4a),

Fig. 109, hat gleichfalls einen runden Fuss, welcher die Säule trägt, an welcher Spiegel, Objecttisch und Rohr befestigt. Die grobe Einstellung geschieht wie bei dem vorigen Instrumente, die feine ist an dem Objecttische angebracht, in dem sich über eine fest mit der Säule verbundenen Platte eine zweite befindet, welche (nach Mohl) an der einen Seite festgeschraubt, an der entgegengesetzten sich heben und senken lässt.

Obwohl durch diese Art der Einstellung die Tischfläche etwas geneigt wird, so hat dies doch für die Vergrößerungen, welche bei diesem kleinen Mikroskope in Anwendung kommen, keinen erheblichen Nachtheil, wie ich mich bei diesem und anderen ähnlich eingerichteten Instrumenten zu überzeugen Gelegenheit hatte. Mit den Objectivsystemen 1 und 3 und den beiden Ocularen I. und II. ausgerüstet kostet dieses kleinste Mikroskop 35 Thlr., in etwas modificirter mechanischer Ausführung (Nr.46) 25 Thlr.

Im Jahre 1866 erscheint in der Preisliste von „Fr. Belthle, Nachfolger von C. Kellner, in Wetzlar“:

4a. Kleinstes Mikroskop.

Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung und feine desgl. durch Mikrometerschraube. am Tisch (nach Mohl). – Spiegel für schiefe Beleuchtung . – Okular I. und II. und System 0., 1. und 3. Vergrösserungen von 25, 35, 60, 100, 300 – 500…35 Thlr.

Über Carl Kellner

carl_kellner_portraitCarl Kellner (26.03.1826 – 13.05.1855)

gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden. Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod. Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 – 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma „Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)“ stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert. Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter anderem Ernst Gundlach sowie Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder – im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Ernst Leitz tritt Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus „am reformierten Treppchen“ befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert.

Über das Exponat

belthle_879_eugen_beckNach dem Auslieferungsbuch des optischen Instituts wird dieses Mikroskop als Stativ 4a am 09.08.1866 an Dr. Becker in Lemgo verkauft.

Der letzte bekannte Besitzer dieses Mikroskops ist der am 21.10.1863 in Ulm geborene Eugen Albert Beck. Er arbeitet als Veterinärrat in Barntrup und anschließend als Kreistierarzt in Lemgo (Lippe). Möglicherweise hat er dort dieses Mikroskop von seinem im Namen sehr ähnlichen Vorgänger im Amt übernommen. Im Januar 2007 kann dieses Mikroskop von der Familie des Tierarztes für die Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Referenz

Referenz 4, 5, 34, 56, 74, 97

(Datierung mit freundlicher Unterstützung von Rolf Beck, Archiv Leica Microsystems GmbH, 15.05.2007)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.