Kleines petrografisches Mikroskop

R. Fuess Berlin

Kleines Mikroskop für petrografische Untersuchungen; Stativ Va von R. Fuess Berlin aus dem Jahr 1910.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem, geschwärztem und vernickeltem Messing bzw. lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Der Analysator ist im Tubus untergebracht und ausschaltbar, die Bertrand-Linse ist in der Höhe frei verschiebbar. Die Beleuchtung erfolgt über einen dreh- und schwenkbaren Hohl- und Planspiegel; der Polarisator mit aufschraubbarer Kondensorlinse kann über einen Hebelmechanismus gehoben und gesenkt werden.

Das Instrument verfügt über einen schrägverzahnten Trieb zur Fokussierung –

so sind Untersuchungen bis zu mittlerer Vergrößerung möglich.

Der drehbare Objekttische in Form eines Hohlzlyinders weist eine Teilung zu Inkrementen von 1° auf. Über einen seitlichen Schwenkarm kann im Innern dieses Zylinders eine Aufnahme für eine zweite Kondensorlinse zur Einbringung in den Strahlengang bedient werden. Jene Linse liegt lose in dieser ringförmigen Aufnahme und wird bei Bedarf selbstzentrierend durch den Polarisator angehoben.

Die Seriennummer und Signatur sind auf der Tischplatte schlicht mehrzeilig graviert:

R.Fuess
Berlin-Steglitz
No 1671

An optischer Ausstattung verfügt dieses Instrument im leinenbezogenen Kästchen über die Objektive Nr. 0, Nr. 4 und Nr. 7 sowie die Okulare Nr. M und Nr. 3.

Das Mikroskop wird stehend im zugehörigen Kasten aufbewahrt. Dort ist die Inventurnummer des ehemaligen Anwenders angebracht: R.S. 2009.

Bezeichnung der ObjektiveNumerische AperturÄquivalente Brennweite
in mm
Freier Objektabstand
in mm
Objektives Sehfeld mit Okular Nr. 2
in mm
031394,75
40,251481,6
70,9050,850,55

Im Katalog „Mineralogische u. Krystalloptische Instrumente und Hilfsapparate“ (R. Fuess mechanisch-optische Werkstätten Steglitz bei Berlin; Liste No. 132; Steglitz) von 1909 wird dieses Mikroskop mit dem oben gezeigten Tisch angeboten, aber noch mit einem einfachereren Objekttisch sowie ohne die einstellbare Bertrandlinse abgebildet:

118. Mikroskop Va (Fig. 75.)
Okulare für extra grosses Sehfeld eingerichtet. Im Preis ist inbegriffen: Aus- und Einschaltvorrichtung für konvergentes Licht, Objektivklammer, 1/4 Und. Glimmer (Mk. 4,-), Gips-Rot I. Ord. (Mk. 5,-) und polierter Schrank…. 205,- Mk.

a) Empfehlenswerte optische Ausrüstung:
Objektive No. 0 | 4 | 7
Mk. 12,- 24,- 33,-

Okular No. 3 (Mk. 12,-), Mikrometer-Okular No. 2 (Mk. 18,-), gebrauchsfertige Schwarzmann’sche Achsenwinkelskala, passend zum Mikrometer-Okular und dem Objektiv No. 7 (Mk. 0,75), Quarzkeil I.-III. Ord. (Mk. 16,-) … 115,75 Mk.

Der Aufsatzanalysator (25,- Mk.) kann optional für stauroskopische Bestimmungen erworben werden. Der Quarzkeil fehlt in der hier erhaltenen Ausstattung, das Instrument kostet in dieser Form daher 1909 insgesamt 320,75 Mark.

Heinrich Ludwig Rudolf Fuess

fuess_rudolfHeinrich Ludwig Rudolf Fuess (1838 – 1917)

wird in Moringen geboren. Er geht 1853-57 beim Mechanicus Hermann Pfaff in Göttingen in die Lehre. In dieser Zeit besucht er an der dortigen Universität Vorlesungen zur Mathematik und hört Physik bei Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891) sowie Optik bei Johann Benedict Listing (1808 – 1882). Als Geselle arbeitet Fuess bei Hugo Schröder (1834-1902) in Hamburg und später beim Nivellierhersteller R. Löhmann in Berlin.

Am 01.04.1865 gründet Rudolf Fuess seine Firma mit Räumlichkeiten in der Mauerstraße 84 in Berlin-Mitte. Bereits in der Preisliste von 1865 werden drei verschiedene Mikroskopstative, drei Objektive und zwei Okulare (Vergrößerungen von 60- bis 300-fach linear) angeboten. Das junge Unternehmen zieht 1870 nach Kreuzberg in die Wasserthorstraße 46. Hier wird nach Angaben von Paul Groth (1843-1927) der erste „krystallographisch-optische Universalapparat“ gebaut, dieser junge Mineraloge hatte an der Universität Berlin 1868 promoviert und sich dort 1870 habilitiert. Anfangs werden in der Fuess’schen Werkstatt in der Wasserthorstraße Gesteinsdünnschliffe von eingesandten Proben angefertigt. In Zusammenarbeit mit dem 1868 an die Berliner Universität berufenen Justus Roth (1818-1892) werden kurz darauf erste systematische Dünnschliffsammlungen angeboten. Die Firma wächst weiter und zieht bereits 1873 in die Alte-Jakobstraße 108. Im Jahre 1875 wird die Firma J.G. Greiner & Geißler von R. Fuess übernommen.

Ab Anfang der 1870er bezieht das Unternehmen die Optiken der Mikroskope von Eduard Hartnack. In der Fachwelt der Zeit wird dies positiv hervorgehoben, da sich Fuess so einzig auf die durchdachte mechanische Ausführung der Mikroskope konzentrieren kann. Die rasch wachsende Firma übersiedelt 1892 nach Berlin-Steglitz und wird für die aus der Firma hervorgehenden Polarisationsmikroskope weithin gelobt; erst 1927 werden Mikroskope für biomedizinische Zwecke in das Fertigungsprogramm aufgenommen.

Erst ab Ende der 1870er werden die Mikroskope der Firma durchgehend signiert und nummeriert – im Jahre 1920 erreichte man dabei Seriennummer 4000.

Über das Exponat

Allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach gehört dieses Mikroskop ursprünglich zur Grundausstattung des 1910 gegründeten Rijksrubberdienst in Delft. Ab 1935/36 leistet das Instrument seinen Dienst bei der Nederlandse Rubber-Stichting in Oostingel, Delft. Ausgemustert wird das Mikroskop bei dem Verkauf des Inventars und des Laborgebäudes dieses ehemaligen Forschungsinstituts der holländischen Kautschuk-Stiftung im Jahre 1968. Nach Auskunft des damaligen Käufers, Wil J. Aben, ist jenes Instrument schon zu diesem Zeitpunkt von keinem der Angestellten mehr für mikroskopische Beobachtungen herangezogen worden.

Im Januar 2006 kann das Mikroskop schließlich für diese Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

Referenz 2, 29, 37, 39, 47, 58, 87, 88, 92, 93, 94

Die erste Kommunikation auf Holländisch mit dem Verkäufer des Mikroskop wurde freundlicher Weise unterstützt von Jeroen Meeusen; Justage und behutsame Reinigung des Mikroskops wurde freundschaftlicherweise ausgeführt von Olaf Medenbach, Bochum

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.