Polarisationsmikroskop nach F. E. Wright

R. Fuess Berlin-Steglitz

R. Fuess Berlin-Steglitz: Polarisationsmikroskop nach F.E. Wright; Stativ IIa von 1911.

Dieses Mikroskop ist aus vernickeltem und schwarz lackiertem Messing bzw. gebläutem Stahl gefertigt, der Hufeisenfuß ist für eine bessere Standfestigkeit mit Blei ausgegossen. Zur Beleuchtung dient ein Plan- und Konkavspiegel, der Polarisator mit Kondensor und Irisblende kann über Zahn und Trieb bewegt werden. Der Analysator ist im Tubus untergebracht und ausschaltbar, die Bertrand-Linse ist mit einer Irisblende versehen und in der Höhe frei verschiebbar. Der Grob- und Feintrieb wird über je ein Rändelradpaar ermöglicht. Polarisator und Analysator können über eine Stange synchron gedreht werden.

Die Signatur ist dem Benutzer zugewandet an der breiten Säule des Fußes angebracht:

R. Fuess
Berlin-Steglitz
No. 1717

Das Mikroskop verfügt über ein Meßokular Nr. 2, bezeichnet M und ein Okular Nr. 3 jeweils für großes Sehfeld sowie das Okular Nr. 3 für kleines Sehfeld mit einem Adapter zur Verwendung im Tubus großen Durchmessers. Eine Diopterscheibe ist für die Benutzung des Mikroskops ohne Okular beigegeben. An Objektiven findet sich Fuess Nr.7, E.Leitz Wetzlar 1 und 10x E.Leitz Wetzlar 3. Diese Objektive sind je mit einem Ring für die am Tubus zentrierten Zange der Schnellwechselvorrichtung versehen. Sie werden in einer mit rotem Samt ausgeschlagenen Schatulle aufbewahrt.

An Verzögerungsplatten zum Einschieben in den Schlitz direkt nach dem Objektiv ist im Zubehör zu finden eine Biot-Kleinsche Platte in Metallfassung, eine Platte Gips Rot 1, eine Glimmerplatte Mica 1/4 Lambda, ein Quarzkeil Q.W. und ein Gipskeil, die letzteren beiden ohne Teilung und Bezifferung, alle vier jeweils ohne Metallfassung.

Nachdem Frederick Eugene Wright

sich im geophysikalischen Laboratprium des Carnegie Institute in Washington D.C. im Jahre 1910 ein Zeiss Stativ IC nach seinen Wünschen als Polarisationsmikroskop umbauen und modifizieren läßt, setzt Carl Leiss bei R.Fuess in Berlin-Steglitz die Vorschläge des amerikanischen Professors noch im selben Jahr vereinfacht konstruktiv um und kann ein solches Stativ für 300,- Mark anbieten. 1911 folgt in Zusammenarbeit mit F.E.Wright eine Vervollkommnung des Stativs und ein neues Mikroskop wird von Fuess unter Leiss Leitung gebaut. In der Zeitschrift für Krystallographie findet sich 1911 die erste Veröffentlichung und Abbildung des Instruments. Frederick Eugene Wright. Abb aus: The Emilio Segrè Visual Archives is part of the Niels Bohr Library of the Center for History of Physics at the American Institute of PhysicsIn F.E. Wright: The methods of petrographic-microscopic research, ebenfalls aus dem Jahre 1911, ist das Neue Mikroskop nach F.E.Wright von R. Fuess als Foto wiedergegeben. Wright spricht im Centralblatt für Mineralogie 1911 seinen Dank der Firma R. Fueß & Co. und speziell Herrn C. Leiß aus, für die Sorgfalt, die sie auf die Erbauung dieses Instruments verwandt haben.

Ferner erwähnt Wright in jenem Artikel, dass die Verwendung einer Stange zur synchronen Drehung der Nicols bereits 1888 von Allan B. Dick vorgeschlagen und von James Swift & Son London bei einem Mikroskop umgesetzt wird. Großer Vorteil dieser Stangenkonstruktion ist zum einen, dass im Gegensatz zur synchronen Drehung der Nicols mittels Zahnrädern der tote Gang vermieden wird, zum anderen, dass bei der Untersuchung besonders feinkörniger Gesteine oder gar Mineralien in Flüssigkeiten die geringste Bewegung des Tisches zwischen den gekreuzten Nicols vermieden werden muss, um die zentrierte Position zu halten.

Während Fuess diese Instrument ab 1915 in seinem Katalog führt, erscheint schon 1925 in Ernst Weinschenk: „Das Polarisationsmikroskop“ der dem Stil der Zeit angepaßte Nachfolger dieses Mikroskops, mit dem Gelenk zum Umlegen über der Tischfläche.

Im Katalog Nr.180 der Firma R. Fuess

aus dem Jahre 1915 wird dieses Mikroskop erstmals angeboten als:

I. Mikroskope der gebräuchlichsten Art

[…]

No.610 Neues Mikroskop nach F. E.Wright.

F.E. Wright, American Journal of Science 29. 407-426; 1910
Tschermaks Mineral. und petrogr. Mitteilungen 29. 489-497; 1910
Zentralblatt für Mineralogie etc. 1911. 555-588
C. Leiss, Zeitschrift für Krystallographie 49. 198. 1911

Dieses Modell stellt eine außerordentlich vollkommene, wohl für alle petrographischen und krystallographischen Arbeiten ausreichende Ausführungsform dar. Von den sonst gebräuchlichen Modellen unterscheidet sich dieses Instrument in vorteilhafter Weise auch dadurch, daß ebenso wie bei dem großen Mikroskop No. 609 ein großes Ahrens’sches Prisma, ein großer Abbe’scher Beleuchtungs-Apparat von 1,2 oder 1,4 num. Apertur benutzt werden und außerdem das Mikroskop mit einer vereinfachten gemeinsamen Nicoldrehung (Drehungswert 180°) ausgestattet ist.

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Für die Ablesung der Winkelwerte für die gemeinsame Nicoldrehung wird gleichzeitig die Teilung des Drehtisches benutzt. Die Ablesung geschieht durch den an der Stange s befestigten Index s2.
Der Abbe’sche Kondensor nimmt an der Nicoldrehung nicht teil.

Um den Analysator auch allein drehen zu können, wird der Tubus soweit hochgeschraubt, bis der Mitnehmerarm s4 das obere Ende der Stange s verlassen hat. Jetzt kann die Stange s zur Seite gedreht und der innere Nicol allein gedreht werden. Auf dem festen Teile von s2 ist der Index für die Ablesung bei der alleinigen Drehung des Analysators angebracht.
Zwischen dem Polarisator und dem Abbe’schen Beleuchtungs-Apparat und zwar in der vorderen Bildebene des letzteren befindet sich eine Irisblende, die durch den Griffhebel J betätigt wird; die jeweilige Oeffnung der Irisblende kann an einer Skala in Millimetern abgelesen werden.

Preise:

Mikroskop nach F.E. Wright, lt. vorstehender Beschreibung mit großem Kreuzschlittentisch, einem großem Ahrens’schen Polarisator-Nicol und großem Abbe’schen Beleuchtungsapparat……Mk. 850,-
Empfehlenswerte Ausrüstung:

a) Irisblende unter der Bertrandlinse …Mk. 15,-
b) Okularteil des Tubus mit Schlitteneinrichtung versehen …Mk. 48,-

[…]

i) Mikrometerokular No. 2 …Mk. 20,-
k) Objektive F = 32 mm 17 mm 10 mm 5 mm 3 mm
Mk. 12,- 21,- 27,- 33,- 55,-

[…]

Anmerkung: Wird an Stelle des großen Ahrens’schen Prismas ein Polarisator-Nicol in üblicher Größe gewünscht, so ermäßigt sich der unter No.610 aufgeführte Preis von Mk. 850,- um Mk. 250,-. An Stelle des großen Abbe’schen Kondensors tritt dann auch das entspechend kleinere, aber aus- und einschaltbare Linsensystem.
Durch Fortlassen des Kreuzschlittentisches ermäßigt sich der Preis von Mk. 850,- um Mk. 80,-. An Stelle des Kreuzschlittentisches tritt dann die hohle Tischkappe (s. Fig. S. 65).

[…]

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III. Attribute zu den Mikroskopen

1. Objektive und Okulare.

[…]

No.624 Objektive

Alte Bezeichnung
der Objektive
Neue Bezeichnung
der Objektive *)
Num.
Apertur
Vergrößerung mit den OkularenObjektives Sehfeld
bei Okular
Freier ObjektabstandPreis in Mk.
2
2a
3
3a
22a
750.822253150.450.570.5 33.-

*) Die Bezeichnung der Objektive gibt gleichzeitig die Brennweite in Millimetern an.

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[…]

No.625 Huygensche Okulare No. 1, 2, 3, 4 mit Fadenkreuz und einstellbarer Augenlinse.
a) Für die gewöhnlichen mineralogischen Mikroskope … à Mk. 9,-
b) Für die mineralogischen Mikroskope mit sehr großem Sehfeld à Mk. 12,-

No.627 Huygensche Okulare mit Mikrometer (10 mm in 100 Teile) und einstellbarer Augenlinse
a) Für die gewöhnlichen mineralogischen Mikroskope … à Mk. 18,-
b) Für die mineralogischen Mikroskope mit sehr großem Sehfeld à Mk. 20,-

2. Gips-, Quarz- und Glimmerpräparate.

Die Polarisationsebene der schnelleren Welle verläuft bei den Präparaten No.568-581 senkrecht zu deren langer Erstreckung […].
Die unter No.568-581 genannten Attribute werden auf wunsch auch zum besseren Schutz in Metallfassung geliefert; dadurch erhöht sich der Preis pro Stück um Mk. 4,50.

No.568 1/4 Und. Glimmerplättchen, Wegdifferenz 158 µµ … Mk. 4,-
No.570 Gipsplättchen Rot 1. Ord. Wegdifferenz 536 µµ … Mk. 5,-
No.575 Quarzkeil I. – III. Ord. … Mk. 16,-
No.576 Derselbe, jedoch mit Teilung und Bezifferung … Mk. 21,-
No.578 Gipskeil I. – III. Ord. … Mk. 12,-

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Die Biot-Kleinsche Quarzplatte in Metallfassung

erscheint in dem Katalog von 1914 nicht mehr. Im Katalog No.132 wird sie als Position Nr. 140 für Mk. 10,- angeboten. Dieser Aufstellung nach kostet das Mikroskop in der vorliegenden Ausstattung dem Katalog nach (zuzüglich der beiden Leitz-Objektive) Mk. 704,-

Heinrich Ludwig Rudolf Fuess

fuess_rudolfHeinrich Ludwig Rudolf Fuess (1838 – 1917)

wird in Moringen geboren. Er geht 1853-57 beim Mechanicus Hermann Pfaff in Göttingen in die Lehre. In dieser Zeit besucht er an der dortigen Universität Vorlesungen zur Mathematik und hört Physik bei Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891) sowie Optik bei Johann Benedict Listing (1808 – 1882). Als Geselle arbeitet Fuess bei Hugo Schröder (1834-1902) in Hamburg und später beim Nivellierhersteller R. Löhmann in Berlin.

Am 01.04.1865 gründet Rudolf Fuess seine Firma mit Räumlichkeiten in der Mauerstraße 84 in Berlin-Mitte. Bereits in der Preisliste von 1865 werden drei verschiedene Mikroskopstative, drei Objektive und zwei Okulare (Vergrößerungen von 60- bis 300-fach linear) angeboten. Das junge Unternehmen zieht 1870 nach Kreuzberg in die Wasserthorstraße 46. Hier wird nach Angaben von Paul Groth (1843-1927) der erste „krystallographisch-optische Universalapparat“ gebaut, dieser junge Mineraloge hatte an der Universität Berlin 1868 promoviert und sich dort 1870 habilitiert. Anfangs werden in der Fuess’schen Werkstatt in der Wasserthorstraße Gesteinsdünnschliffe von eingesandten Proben angefertigt. In Zusammenarbeit mit dem 1868 an die Berliner Universität berufenen Justus Roth (1818-1892) werden kurz darauf erste systematische Dünnschliffsammlungen angeboten. Die Firma wächst weiter und zieht bereits 1873 in die Alte-Jakobstraße 108. Im Jahre 1875 wird die Firma J.G. Greiner & Geißler von R. Fuess übernommen.

Ab Anfang der 1870er bezieht das Unternehmen die Optiken der Mikroskope von Eduard Hartnack. In der Fachwelt der Zeit wird dies positiv hervorgehoben, da sich Fuess so einzig auf die durchdachte mechanische Ausführung der Mikroskope konzentrieren kann. Die rasch wachsende Firma übersiedelt 1892 nach Berlin-Steglitz und wird für die aus der Firma hervorgehenden Polarisationsmikroskope weithin gelobt; erst 1927 werden Mikroskope für biomedizinische Zwecke in das Fertigungsprogramm aufgenommen.

Erst ab Ende der 1870er werden die Mikroskope der Firma durchgehend signiert und nummeriert – im Jahre 1920 erreichte man dabei Seriennummer 4000.

Über das Exponat

Dieses Mikroskop wird von Harvey Sunderman eingesetzt während seines Studiums als Graduate-Student an der University of Wisconsin von 1948 bis 1951 und später während seiner Lehrtätigkeit an der University of Cincinnati von 1952 bis 1985.

Im August 2004 kann das Mikroskop aus Cincinnati, Ohio von Alan Sunderman, dem Sohn des ursprünglichen Besitzers, für die Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

neben den bereits zitierten Quellen Referenz 46, 87, 107

(Finanziert wurde das Mikroskop durch einen kurzzeitigen zinslosen Kredit von Tilman Halder)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.