Mineralogisches Polarisationsmikroskop

Dr. E. Hartnack

Mineralogisches Hartnack Mikroskop: Stativ IX von 1882

zaponiertes, geschwärztes und vernickeltes Vollmessing, gebläuter Stahl. Das Instrument ist mit einem Gelenk zum Umlegen ausgestattet und verfügt über einen Grob- und Feintrieb, wobei letzterer geteilt und mit einem Zeigerchen ausgestattet ist. Der Plan- und Konkavspiegel wird in 4 Gelenken gelagert; die Skala des Drehtisches ist vernickelt.

Der Polarisationsapparat mit einem doppellinsigen Kondensor wird in einer seitlich ausschwenkbaren Schiebehülse aufgenommen – die obere Linse ist für die Verwendung mit schwächeren Objektiven abschraubbar.

Die Ausführung des Polarisationsapparates mit Kondensorlinse

ist dabei bereits eine viel frühere Erfindung, ebenfalls aus der Werkstatt Hartnacks. In „Das Mikroskop und die mikroskopische Technik“ (Heinrich Frey; Verlag von Wilhelm Engelmann; Leipzig 1863) heißt es darüber:

In neuerer Zeit hat Hartnack über den Polarisator eine plankonvexe Flintglaslinse von kurzer Brennweite angebracht und hierbei die Leistungsfähigkeit seines Polarisationsapparates wesentlich erhöht.

Der Aufsatzanalysator trägt eine Goniometerteilung in Inkrementen zu je vier Grad.

Direkt über dem gegen einen Federmechanismus zentrierbaren Objektiv befindet sich ein verschließbarer Spalt zur Einführung der Lambda-Plättchen (leider fehlen diese).

Die im Querschnitt fünfseitigen Prismen für Polarisator und Analysator sind jene, die Hartnack & Prazmowski 1866 erstmals beschreiben und deren Art nach ihnen benannt ist. Es handelt sich dabei um jene Form, die bei einem Kalkspatprisma mit planen Enden das größtmögliche Gesichtsfeld erzielt.

Das Mikroskop wird im Mahagonikasten liegend untergebracht.

Ein gedrechseltes Holzelement nimmt dabei den Analysator auf. Am Rande des Kastens wurde die Seriennummer 22553 eingebrannt.

An optischer Ausstattung sind die Hartnack’schen Objektive Nr. 4, Nr. 7 und Nr. 9 sowie ein Element des Objektives Nr. 1 beigegeben, erstere drei werden in einer lederbezogenen Schatulle mit drei Lochblendeneinsätzen untergebracht. Diese Schatulle trägt ebenfalls die eingebrannte Nummer 22553.

An Hartnack’schen Okularen sind Nr. 3 und Nr. 4, jeweils mit Fadenkreuz, vorhanden.

Auf dem Tubus ist das Mikroskop dekorativ signiert:

Dr. E. Hartnack
Potsdam.

Bei diesem Mikroskop handelt es sich um das im Preis-Courant der achromatischen Mikroskope von Dr. E.Hartnack aus dem Oktober 1883 beschriebene Stativ No. IX.:

No. IX. Mikroskop, zum speciellen Gebrauch für Mineralogen. Die Tischplatte ist unabhängig, um ihre Axe drehbar, grobe Einstellung mittelst Zahn und Trieb, Polarisations-Apparat, dessen Analysator sich bequem auf jedes Okular aufsetzen lässt, Goniometer, einzuschiebender Quarzplatte und senkrecht zur Axe geschnittener Kalkspathplatte für stauroskopische Untersuchungen. Besondere Vorrichtung zum Centriren für jedes System. Mit Systemen 4, 7, 9 und Okularen 2, 3, 4 …… 450 Frs. 360 Mrk.

Mit einzuschaltender Convex-Linse, um bei starker Vergrösserung ohne Okular die Axenbilder sichtbar zu machen 500 Frs. 400 Mrk.

Mit Charnier zum Umlegen erhöht sich der Preis um 20 Mark.

Hier handelt es sich um ein sehr frühes mineralogisches Mikroskop.

Das erste „echte“ Mikroskop für petrografische Zwecke wird 1876 von Rudolf Fuess, Berlin S.W. für Prof. Harry Rosenbusch in Straßburg gebaut. In der Veröffentlichung in „Neues Jahrbuch für Mineralogie“ 1876 heißt es im Schlußabsatz von Rosenbuschs Artikel, zu eben jenem revolutionären Instrument, mit dem Titel „Ein neues Mikroskop für mineralogische und petrographische Untersuchungen“:

Gewiss ist es keine geringe Empfehlung dieses Mikroskopes, dass die rein optischen Theile von Herrn HARTNACK geliefert werden. Es sind die Oculare 2, 3 und 4 und die Systeme 4, 7 und 9, so dass man über eine Reihenfolge von 9 Vergrösserungen verfügt, welche zwischen x 90 und x 1150 liegen.

Mit eben diesen Optiken ist auch das hier gezeigte Hartnack’sche mineralogische Mikroskop ausgestattet.

Ferner ist anzumerken, dass Bernhard Halle (1842-1926) anfänglich in Hartnacks Werkstätte in Potsdam arbeitet. Halle zeigt großes Geschick beim Umgang mit Kalkspatoptiken und macht sich so 1873 selbständig um für Hartnack und Toepfer im Auftrag Optiken herzustellen, wenig später gehört auch Fuess zu seinen Kunden.

Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass die optischen Elemente des ersten Rosenbusch-Mikroskops und des hier gezeigten Hartnack’schen Instrumentes jeweils von den selben Händen geschaffen wurden.

Zum Vergleich mit anderen deutschen, später führenden, Firmen:

Ernst Leitz Wetzlar stellt just 1882 erstmals ein Mikroskop für mineralogische Zwecke vor – in zwei Bauformen wird es angeboten. Leitz erreicht in jenem Jahr dabei die Seriennummer 5000; Carl Zeiss in Jena fertigt als letztes Mikroskop des Jahres 1882 die Nummer 6397.

Über Edmund Hartnack

hartnack_edmund_xEdmund Hartnack

wird am 9. April 1826 zu Templin in der Uckermark geboren und lernt 1842 – 1847 in Berlin das Mechanikerhandwerk bei Wilhelm Hirschmann senior (1777 – 1847), welcher seinerseits mit Schiek und Pistor zusammengearbeitet hat. 1847 kommt Hartnack zu Heinrich Daniel Rühmkorff (1803-1877) nach Paris und geht später zu Oberhäuser. Dieser nimmt ihn 1854 als Teilhaber auf. Hartnack heiratet Johanna Maria Louise Kleinod, die Nichte Oberhäusers und übernimmt das Geschäft 1864, aus welchem sich sein früherer Chef mehr und mehr zurückgezogen hat.

Im Jahr 1864 tritt der aus Polen geflüchtete Professor Adam Prazmowski (1821 – 1888) dem Unternehmen bei. 1863 war der frühere Assistent der Warschauer Sternwarte und Teilnehmer an diversen Expeditionen zur Beobachtung von Sonnenfinsternissen und zur Gradmessung, aus politischen Gründen nach Paris gegangen. 1878 wird Prazmowski Eigentümer der Pariser Filiale; nach seinem Tode 1885 übernehmen die Meister Bézu & Hausser die Werkstätte und verkaufen diese 1896 schließlich an Alfred Nachet.

Hartnack muss auf Grund des deutsch-französischen Krieges 1870 Frankreich verlassen und wirkt fortan in Potsdam weiter, wo er am 9. Februar 1891 stirbt.

Hartnack wird bekannt für die hohe Qualität seiner Objektive, u.a. führt er die Wasserimmersion No. 11 im Jahre 1859 ein und ist damit kurze Zeit führend im Auflösungsvermögen, mit einer numerischen Apertur von 1,05. Er hat stets ein offenes Ohr für die mit seinen Mikroskopen arbeitenden Forscher. Auf der Weltausstellung 1862 in London gewinnt Hartnack eine Medaille für die allgemeine Qualität seiner Mikroskope von denen es heißt: „Sie gleichen im Wesentlichen dem Oberhäuserschen Modell, bei der der Mikroskopkörper auf einer hohlen, zylindrischen Basis steht, deren Oberseite als Objekttisch fungiert.“ Die Hartnack’schen Objektive hält man im London jener Zeit zweifelsohne für die besten aus nicht-englischer Fertigung. Hartnack verwendet ferner Wasserimmersion bevor diese Technik auf den britischen Inseln Einzug hält.

Wegen seiner Verdienste um die Medizin durch Bau und Vertrieb seiner Mikroskope wird er 1868 zum Ehrendoktor der medizinischen Fakultät Bonn ernannt; die preußische Regierung verleiht ihm 1882 den Professorentitel. In eben diesem Jahr bestätigt Prof. Fritsch: „Hartnack scheint mit seinen homogenen Imm.-Systemen Zeiss überflügelt zu haben. Hartnacks Bakterienmikroskop ist in ärztlichen Kreisen weit verbreitet und hoch anerkannt.“

Im Jahre 1882 befindet sich die Werkstätte in der Waisenstrasse 39, Potsdam.

Zum Exponat

Aus Fort Collins, U.S.-Bundesstaat Colorado gelangte das Mikroskop in diese Sammlung.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche:

Referenz 1, 2, 25, 39, 47, 56, 84, 85, 87, 94

(Datierung mit freundlicher Unterstützung von Hans Weil, Berlin)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.