Mittleres Polarisationsmikroskop

R. Fuess Berlin-Steglitz

R. Fuess Berlin-Steglitz: Mittleres Polarisationsmikroskop; um 1920.

Dieses Mikroskop ist aus vernickeltem und schwarz lackiertem Messing bzw. gebläutem Stahl gefertigt. Zur Beleuchtung dient ein Plan- und Konkavspiegel, der Polarisator kann über Zahn und Trieb bewegt werden. Der Analysator ist im Tubus untergebracht und ausschaltbar, die Bertrand-Linse ist mit einer Irisblende versehen und in der Höhe frei verschiebbar. Der Grob- und Feintrieb wird über je ein Rändelradpaar ermöglicht.

Die Signatur ist dem Benutzer zugewandet an der breiten Säule des Fußes angebracht:

R. Fuess
Berlin-Steglitz
No. 2640

An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop

über die Okulare Nr. 2a und Nr. 3a (für großes Sehfeld) sowie die Objetive 32 mm, 14 mm und 5 mm. Diese Objektive sind je mit einem Ring für die am Tubus zentrierten Zange der Schnellwechselvorrichtung versehen. Sie werden in einer mit rotem Samt ausgeschlagenen Schatulle aufbewahrt. Das Mikroskop wird im originalen, dunkel gebeizten Holzkasten aufbewahrt, auf dessen Türe ist eine alte Inventurnummer aufgemalt: 179.

Mit diesen Optiken sind Vergrößerungen nach folgender Tabelle möglich:

Bezeichnung
(Brennweite)
N.A.Vergrößerung bei 200 mm Tubuslänge mit OkularObjetives Sehfeld bei OkularFreier Objektabstand
2a3a22a
320.127383.754.821
140.26761081.31.77
50.822253150.921.24

Im Katalog der Firma R. Fuess

aus dem Jahre 1915 wird dieses Mikroskop angeboten als:

No.611 Mikroskop, Modell II.

Im Grundpreis des Mikroskops ist inbegriffen:
Großer Kreuzschlittentisch No. 660, S. 92 (Mk. 90,-). Zangen-Objektivwechsler mit zugehörigen Anschluß-
Stücken für die Objektive (Mk. 16,-). Aus- und einschaltbarer Kondensor für konvergents Licht. Aufsetzbarer Analysator für Zirkularpolarisation und für stauroskopische Untersuchungen. Schrank für das Instrument……Mk. 500,-

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[…]

No.612 Mikroskop, Modell III

Vom Modell II No. 611 unterscheidet sich Modell III lediglich dadurch, daß der Kreuzschlittentisch durch einen einfachen Tisch ersetzt ist und der die Bertrand’sche Hilfslinse tragende Tubus-Auszug keine Zahn- und Triebbewegung besitzt, sondern freihändig verschoben wird. Im übrigen sind im Grundpreis genau dieselben Dinge wie unter No. 611 aufgeführt, einbegriffen……Mk. 360,-

[…]

No.613 Mikroskop, Modell IIIa.

Diese Ausführungsform unterscheidet sich von der vorgenannten (Modell III) dadurch, daß der Tubus für Okulare mit extra
großem Sehfeld eingerichtet ist. Im übrigen sind im Grundpreis dieselben Dinge einbegriffen, wie im Modell III……Mk. 375,-
Empfehlenswerte Ausrüstung:

a) Objektive F = 32 mm | 14 mm | 5 mm
Mk. 12,- | 24,- | 33,-
b) Okulare No. 1 und 3 mit Fadenkreuz und einstellbarer Augenlinse à Mk. 12,-

[…]

l) Tubus mit drehbarem Innen-Nicol und Irisblende unter der Bertrand-Linse… Mk 38,-
Der fehlenden Aussparung im Kasten nach wird das Mikroskop ohne Aufsatzanalysator (Mk. 28,-) ausgeliefert. Demnach kostet diese Mikroskop in der vorliegenden Ausstattung dem Katalog nach Mk. 478,-

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Heinrich Ludwig Rudolf Fuess

fuess_rudolfHeinrich Ludwig Rudolf Fuess (1838 – 1917)

wird in Moringen geboren. Er geht 1853-57 beim Mechanicus Hermann Pfaff in Göttingen in die Lehre. In dieser Zeit besucht er an der dortigen Universität Vorlesungen zur Mathematik und hört Physik bei Wilhelm Eduard Weber (1804 – 1891) sowie Optik bei Johann Benedict Listing (1808 – 1882). Als Geselle arbeitet Fuess bei Hugo Schröder (1834-1902) in Hamburg und später beim Nivellierhersteller R. Löhmann in Berlin.

Am 01.04.1865 gründet Rudolf Fuess seine Firma mit Räumlichkeiten in der Mauerstraße 84 in Berlin-Mitte. Bereits in der Preisliste von 1865 werden drei verschiedene Mikroskopstative, drei Objektive und zwei Okulare (Vergrößerungen von 60- bis 300-fach linear) angeboten. Das junge Unternehmen zieht 1870 nach Kreuzberg in die Wasserthorstraße 46. Hier wird nach Angaben von Paul Groth (1843-1927) der erste „krystallographisch-optische Universalapparat“ gebaut, dieser junge Mineraloge hatte an der Universität Berlin 1868 promoviert und sich dort 1870 habilitiert. Anfangs werden in der Fuess’schen Werkstatt in der Wasserthorstraße Gesteinsdünnschliffe von eingesandten Proben angefertigt. In Zusammenarbeit mit dem 1868 an die Berliner Universität berufenen Justus Roth (1818-1892) werden kurz darauf erste systematische Dünnschliffsammlungen angeboten. Die Firma wächst weiter und zieht bereits 1873 in die Alte-Jakobstraße 108. Im Jahre 1875 wird die Firma J.G. Greiner & Geißler von R. Fuess übernommen.

Ab Anfang der 1870er bezieht das Unternehmen die Optiken der Mikroskope von Eduard Hartnack. In der Fachwelt der Zeit wird dies positiv hervorgehoben, da sich Fuess so einzig auf die durchdachte mechanische Ausführung der Mikroskope konzentrieren kann. Die rasch wachsende Firma übersiedelt 1892 nach Berlin-Steglitz und wird für die aus der Firma hervorgehenden Polarisationsmikroskope weithin gelobt; erst 1927 werden Mikroskope für biomedizinische Zwecke in das Fertigungsprogramm aufgenommen.

Erst ab Ende der 1870er werden die Mikroskope der Firma durchgehend signiert und nummeriert – im Jahre 1920 erreichte man dabei Seriennummer 4000.

Über das Exponat

Aus den Niederlanden kann dieses Mikroskop im Frühjahr 2004 für die Sammlung erworben werden.

Referenzen und Vergleiche

Vergleiche

Referenz 43, 59, 63, 87

(Vermittelt wurde das Instrument durch freundschaftliche Unterstützung von Allan Wissner, NY, USA – die Justage und behutsame Reinigung des Mikroskops wurde freundschaftlicherweise ausgeführt von Olaf Medenbach, Bochum)

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.