Mikroskop von Prof. Rudolf Maier

Kleinstes Mikroskop von Fr. Belthle in Wetzlar

Frühes kleines Belthle Mikroskop; Stativ 4a von 1863.

Das Mikroskop besteht aus zaponiertem und geschwärztem Messing, lackiertem Eisen und gebläutem Stahl. Die Grobeinstellung erfolgt über eine Schiebehülse. Zur Feineinstellung dient ein Mohl’scher Tisch bei dem durch eine Rändelschraube die Tischplatte seitlich angehoben und damit um einen kleinen Winkel verkippt wird.

Der Hohlspiegel ist an einem Arm befestigt und dreifach gelagert, so dass Beleuchtungseinstellungen außerhalb der optischen Achse ermöglicht werden. Unter der Tischplatte befindet sich eine Revolverlochblendenscheibe mit vier Aperturen.

Auf dem Tubusträger befindet sich die eingeschlagene Signatur:

C. Kellner’s Nach.
Fr. Belthle
in
Wetzlar.
No 547.

Wie auch schon die Mikroskope von Carl Kellner verfügt dieses kleine Mikroskop über eine Kompensationsschraube zur Nachstellung der Ganggenauigkeit der Feineinstellung. Bei deutschen Mikroskopen ist diese sehr zweckmäßige mechanische Besonderheit in den späten 1850ern bis zum Ende der 1860er nur bei den Mikroskopen aus dem Umfeld von Carl Kellner und Moritz Hensoldt zu finden.

Bei diesem kleinsten Stativ aus der Werkstatt Belthles handelt es sich offenbar um eine Neukonstruktion aus dessen Hand. Ernst Leitz, dem die Konstruktion dieses Mikroskopstativs in der Literatur auch zugeschrieben wird, tritt erst nach Fertigstellung des hier gezeigten Mikroskops im Alter von 21 Jahren Anfang 1864 in das Unternehmen ein, von welchem er am 7. Oktober 1865 Teilhaber wird.

Ausgestattet ist das Instrument mit dem Objektiv Fr. Belthle 3 und dem Okular I;

beide Optiken tragen die zusätzliche Gravur P 2 als Inventurnummer.

Nach dem Auslieferungsbuch des optischen Instituts wird dieses Mikroskop als Stativ 4a am 5. September 1863 für 35 Thaler an Prof. Maier am Pathologisch-Anatomische Institut der Universität Freiburg geliefert.

Auf das pathologische Institut verweisen außer den oben genannten Bezeichnungen auch die Gravuren P 2 und P II auf dem Stativ und dem Tubus des Mikroskops. Offenbar handelt es sich hier um das Mikroskop Nummer 2 des Instituts.

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Rudolf Robert Maier (1824-1888) besucht das Gymnasium in Karlsruhe und studiert ab 1843 an der Universität Freiburg Medizin und reist an die Universitäten in Würzburg und Wien. 1853 habilitiert sich Maier mit einer Arbeit über Die Anatomie der Tonsillen (Poppen, Freiburg 1853) und tritt die Stelle des Prosektors an anatomischen und pathologisch-anatomischen Institut in Freiburg an. 1855/56 bietet Maier in Freiburg erstmals eine Veranstaltung mit mikroskopischen Demonstrationen an: Allgemeine pathologische Anatomie mit mikroskopischen Demonstrationen. Vielen Veröffentlichungen der Kollegen seiner Zeit in Freiburg weisen seitdem darauf hin, dass R. Maier die zugehörigen mikroskopischen Untersuchungen durchführt.

1859 wird Maier zum außerordentlichen Professor ernannt. Nach einer weiteren Studienreise nach Berlin, Leipzig und Prag erhält Maier 1863 den Ruf auf den Lehrstuhl der pathologischen Anatomie. In enger Zusammenarbeit mit Adolf Kussmaul (1822-1902), dem Ordinarius für Innere Medizin, veröffentlicht er 1866 die Erstbeschreibung von Polyarteriitis nodosa mit mikroskopischen und makroskopischen Beschreibungen des Krankheitsbildes (A. Kussmaul, R. Maier: Ueber eine bisher nicht beschriebene eigenthümliche Arterienerkrankung (Periarteritis nodosa), die mit Morbus Brightii und rapid fortschreitender allgemeiner Muskellähmung einhergeht. Deutsches Archiv für Klinische Medizin 1 (5) (1866): 484-518), die heute nach ihnen benannte PAN oder Kussmaul-Maier-Krankheit. Leider wird in dem Beitrag das verwendete Mikroskop nicht aufgeführt, wohl aber die Vergrösserungen von 155- und 320-fach (ebd: 517-518). Das kleine Mikroskop von Belthle liefert in der von Rudolf Maier erworbenen Ausstattung in der Konstruktion von 1863 mit den Systemen 1 und 3 mit dem Okular I die Vergrösserungen 75 und 320 sowie mit dem Okular II solche von 110 und 500. Es kommt demnach der Vergrößerung nach zumindest in der Kombination Okular I und System 3 für die bei dieser Veröffentlichung verwendeten Optiken in Frage.

1867 bezieht Maier mit seinem Institut gemeinsam mit den Lehrstühlen für Anatomie und vergleichende Anatomie ein Gebäude in der Sautierstraße, ab 1883 verfügt das Institut über ein eigenes Haus in der Albertstraße. Später entwickeln sich das Institut für Hygiene und das Gerichtsmedizinische Institut aus dem Institut für Pathologie heraus.

Maier wird 1877 der Titel Hofrat und 1887 Geheimer Hofrat verliehen.

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Dieses Mikroskop

stellt das kleinste von drei angebotenen Stativtypen aus der Werkstatt Fr. Belthle (C. Kellner’s Nachfolger) dar. Ein bis auf die Tubushalterung identisches Stativ wird von Leopold Dippel (Leopold Dippel: Das Mikroskop und seine Anwendung. Erster Theil. Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1867: 151) beschrieben als:

Das kleinste Mikroskop (Nr.4a), Fig. 109, hat gleichfalls einen runden Fuss, welcher die Säule trägt, an welcher Spiegel, Objecttisch und Rohr befestigt. Die grobe Einstellung geschieht wie bei dem vorigen Instrumente, die feine ist an dem Objecttische angebracht, in dem sich über eine fest mit der Säule verbundenen Platte eine zweite befindet, welche (nach Mohl) an der einen Seite festgeschraubt, an der entgegengesetzten sich heben und senken lässt.

Obwohl durch diese Art der Einstellung die Tischfläche etwas geneigt wird, so hat dies doch für die Vergrößerungen, welche bei diesem kleinen Mikroskope in Anwendung kommen, keinen erheblichen Nachtheil, wie ich mich bei diesem und anderen ähnlich eingerichteten Instrumenten zu überzeugen Gelegenheit hatte. Mit den Objectivsystemen 1 und 3 und den beiden Ocularen I. und II. ausgerüstet kostet dieses kleinste Mikroskop 35 Thlr., in etwas modificirter mechanischer Ausführung (Nr.46) 25 Thlr.

Im Jahre 1863 erscheint

im Preis-Verzeichniss der optischen Instrumente des von C. Kellner in Wetzlar gegründeten Instituts Nachfolger F. Belthle (Heinrich Frey: Das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Verlag von Wilhelm Engelmann; Leipzig 1863: 457):

4a. Kleinstes Mikroskop. Grobe Einstellung durch Tubusverschiebung, feine desgl. durch Mikrometerschraube. – Spiegel für schiefe Beleuchtung . – Okular I und II, und System 1 und 3. Vergrösserungen von 60 – 500…35 Thlr.

Nach der Tabelle zu den Vergrößerungen, bezogen auf 8 Zoll Sehweite, erzielt die hier gezeigte Optik eine lineare Vergrößerung von 320-fach, bei einer Entfernung von 1,8 mm zwischen dem unteren Ende des Objektivs und dem oberen Ende des Deckglases.

Über Carl Kellner

carl_kellner_portraitCarl Kellner (26.03.1826 – 13.05.1855)

gründet das Optische Institut in Wetzlar zusammen mit Moritz Hensoldt im Jahre 1849. Das erste Mikroskopokular wird am 22. Dezember 1849 an den Bremer Apotheker Georg Christian Kindt geliefert, schon am 23. Januar 1850 folgt das nächste Okular an diesen Kunden. Das erste Mikroskop wird allerdings erst ein gutes Jahr später, am 9. Mai 1851 nach Genf ausgeliefert. Die Instrumente werden sehr gut angenommen und bis 1854 können 131 Mikroskope verkauft werden. Kellner erkrankt 1854, sein nahes Ende ahnend weiht er seinen Cousin und Gehilfen Ludwig Engelbert in alle technischen Feinheiten der Herstellung der Mikroskope ein und überträgt ihm die Leitung der Werkstätte kurz vor seinem Tod. Als im Dezember 1856 jedoch Friedrich Belthle (27.02.1829 – 09.05.1869), ebenfalls ein ehemaliger Gehilfe dieser Werkstatt, die Witwe Kellners heiratet (die bereits im August 1856 außerehelich ein Kind von Belthle zur Welt bringt), scheidet Engelbert aus dem Unternehmen aus. Belthle führt die junge Firma weiter, ab August 1857 mit Heinrich Friedrich Rexroth als Teilhaber.

Belthle gelingt es, den Ruf der Firma zu wahren, er bringt selbst aber bis auf die mechanische Optimierung der Instrumente nur geringe Neuerungen hervor. Die Geräte werden in Medizinerkreisen anerkannt, die Firma „Belthle & Rexroth (C. Kellners Nachfolger)“ stellt bei der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1858 in Karlsruhe Mikroskope aus, die Belthle dort persönlich präsentiert. Zu dieser Zeit werden in den Lohnlisten des Unternehmens unter anderem Ernst Gundlach sowie Wilhelm und Heinrich Seibert geführt. Im Jahre 1861 trennen sich Belthle und Rexroth wieder – im selben Jahr verlegt ihr Glaslieferant Théodore Daguet seine Glashütte von Solothurn nach Freiburg/Schweiz.

Ernst Leitz tritt Anfang 1864 in die Werkstätte ein, die zu jenem Zeitpunkt eine Jahresproduktion von ungefähr 70 Mikroskopen verzeichnet und sich nach wie vor in dem von Kellner gekauften Haus „am reformierten Treppchen“ befindet. Bereits am 7. Oktober 1865 wird Ernst Leitz Teilhaber des Unternehmens. Unter gemeinsamer Leitung wird am 3. September 1867 das 1000. Mikroskop ausgeliefert.

Über das Exponat

Dieses Mikroskop kann im März 2009 aus dem Nachlaß eines ehemaligen Feinmechanikers der Universität Freiburg im Breisgau erworben werden. Offenbar hat dieser das Instrument direkt aus dem Bestand des Instituts übereignet bekommen.

Referenzen und Vergleiche

Referenz

4, 5, 34, 56, 74, 97

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.