Mikroskop Stativ IIa aus Aluminium

Carl Zeiss Jena

Zeiss Mikroskop Stativ IIa aus Aluminium; Vorserienmodell (!).

Das Mikroskopstativ ist gefertigt aus blankem Aluminium, Hartgummi, zaponiertem und geschwärztem beziehungsweise schwarz lackiertem Messing und gebläutem Stahl. Das Stativ ist ab der Tischebene aufwärts weitgehend in blankem Aluminium ausgeführt, das Hufeisen besteht aus Hartgummi, die Doppelsäule des Fußes aus schwarz lackiertem Messing. Unter das Hufeisen aus Hartgummi sind zur Tischauflage drei Messingplättchen geschraubt.

Das Instrument verfügt über einen ausziehbaren und graduierten Tubus aus Aluminium,

der in einer federnden Hülse aus Messing verschoben werden kann.

Die grobe Einstellung erfolgt über Zahn und Trieb

– die Zahnstange ist im Gegensatz zu allen anderen Mikroskopstativen von Zeiss in das Prisma eingelassen. Die feine Einstellung wirkt direkt auf die Tubusaufnahme, das Rändelrad ist in geteilt in 60 Inkremente.

Dieser eigentümliche Mechanismus und ist wahrscheinlich durch das geringe Eigengewicht des Tubus und die Materialpaarungen bedingt. Das sonst verwendete Gleitlager des Grobtriebs aus Messing hätte hier in Aluminium ausgeführt werden müssen und wäre damit nicht hinreichend langlebig. Eine vergleichbare Einrichtung ist bei keinem anderen Mikroskopstativ von Zeiss bekannt. Der Tubus kann zusätzlich mit freier Hand verschoben und über eine Schraube in seiner Position fest geklemmt werden.

Das zum Umlegen eingerichtete Mikroskop verfügt über einen kompletten Abbe’schen Beleuchtungsapparat mit gegen den Kondensor zweifach gelagertem großen Planspiegel. Der Schlitten mit der Irisblende kann über Zahn und Trieb dezentriert und über ein Lager gedreht werden.

Der Tisch des Mikroskops ist als großer integrierter Kreuztisch ausgeführt, wie er im Katalog von 1889 nur für das Stativ Ia angeboten wird. Dieser Tisch ist ebenfalls aus Aluminium ausgeführt und wird – im Gegensatz zu den Abbildungen im Katalog von 1889 (und allen späteren) nicht über zwei unter 90° angeordneten Rändelrädern zentriert, sondern mittelst eines koaxial zu bedienenden Rändelrads.

Das Mikroskop trägt die tief gravierte und schwarz ausgefüllte Sigantur

Carl Zeiss Jena

horizontal auf der Rückseite des Stativs, die Seriennummer ist auf der Abschlußkappe der Säule auf gleiche Art angebracht:

No
14161

Ausgestattet ist dieses Mikroskop mit den Objektiven AA C.Zeiss, Nr. 2929, D C.Zeiss 0,17, Nr. 7595 und F C.Zeiss 0,17, Nr. 2981 sowie den Huygensokularen Carl Zeiss Jena, Nr. 2 und Carl Zeiss Jena, Nr. 4, dem Kompensationsokular Carl Zeiss Jena, Compens-Ocular 6 als Mikrometerokular 1/1 Mikron, dem Kompensationsokular Carl Zeiss Jena, 8 mit der Zusatzgravur 22,5 mm sowie den beiden Projektionsokularen Carl Zeiss Jena, Proiection 2 und Carl Zeiss Jena, Proiection 4.

Die Objektive stammen der Seriennummern nach aus der Zeit um 1893 und sind damit entweder spätere Ergänzungen, oder das Mikroskop wird erst 1893 an einen Endbenutzer verkauft.

Nach Auskunft des Archivs von Carl Zeiss Jena

werden mit der Seriennummer 14159 bis 14161 drei Stück „Stativ IIa aus Aluminium“ 1889 hergestellt – entsprechend trägt jedes Bauteil des Mikroskops die Schlagzahl 3. Das hier gezeigte Mikroskop wird ohne optische Ausrüstung am 30.09.1889 an G. König nach Berlin geliefert.

Bei jenem G. König handelt es sich offenbar um das Magazin für Mikroskopie in der Hauptstadt. So heißt es in Dr.med. Carl Günther (Privatdocent an der Universität, Assistent am Hygienischen Institut zu berlin): Einführung in das Studium der Bakteriologie mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik. Für Aerzte und Studirende bearbeitet (dritte, vermehrte und verbesserte Auflage; Georg Thieme Leipzig 1893) in der Fußnote auf Seite 44 über die ersten Firmen für hochwertige Mikroskope:

Allen voran schreitet die Firma Carl Zeiss in Jena. Diese Firma lässt sich die höchsten Preise bezahlen; sie liefert aber auch das Beste. Die sogenannten „Apochromat-Objective“ von Zeiss sind das Vollendetste, was von Objectiven existirt. Ebenso wird die Firma hinsichtlich der übrigen optischen Theile der Mikroskope sowie hinsichtlich der Stative von keiner anderen Firma übertroffen. Neben Zeiss sind ferner zu nennen Ernst Leitz in Wetzlar (die äusserst preiswerthen Instrumente dieser Firma, welche sich in der Form an die Zeiss’schen anlehnen, werden für die Zwecke bakteriologischer Untersuchungen sehr viel verwendet), W. & H. Seibert in Wetzlar, Dr. E. Hartnack in Potsdam, C. Reichert in Wien und Andere.

Eine ständige Ausstellung der Instrumente der genannten Firmen findet man im „Magazin für Mikroskopie“ von G. König, Berlin N.W., Dorotheenstr. 29, welches bezüglich der Anschaffung jede gewünschte Auskunft ertheilt und die Instrumente zu Fabrikpreisen abgiebt. Hier findet man auch alle übrigen für unsere Zwecke nothwendigen Utensilien, Farbstoffe, etc.

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Aus der folgenden Auflage des selben Buches geht hervor, dass jenes Magazin für Mikroskopie mittlerweile von Carl Zeiss übernommen wurde und nun die Geschäftsstelle der Firma in Berlin darstellt. Entsprechend heißt es in Dr.med. Carl Günther (Privatdocent an der Universität, Custos des Hygiene – Museums zu Berlin): Einführung in das Studium der Bakteriologie mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Technik. Für Aerzte und Studirende bearbeitet (vierte, vermehrte und verbesserte Auflage; Georg Thieme Leipzig 1895) in der Fußnote auf Seite 48:

Allen voran schreitet die Firma Carl Zeiss in Jena. Diese Firma lässt sich die höchsten Preise bezahlen; sie liefert aber auch das Beste. Die sogenannten „Apochromat-Objective“ von Zeiss sind das Vollendetste, was von Objectiven existirt. Ebenso wird die Firma hinsichtlich der übrigen optischen Theile der Mikroskope sowie hinsichtlich der Stative von keiner anderen Firma übertroffen. In Berlin sind die Zeiss ’sehen Instrumente vorräthig bei „Carl Zeiss Geschäftsstelle Berlin, früher G. König“, N.W., Dorotheenstrasse 29.

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Höchstwahrscheinlich dient dieses Mikroskop aus Aluminum

mit dem neuen Kreuztisch und der koaxialen Tischzentrierung als Ausstellungsobjekt in jenem Magazin für Mikroskopie und damit zum Ausloten des Interesses an dem leichten Mikroskop und seinen Neuerungen.

Fraglich ist, wofür man Mikroskope aus Aluminium um 1890 baut. Die Verarbeitung des Leichtmetalls ist aufwendiger als jene von Messing, ferne müssen für Gleitlager und ähnliches alternative Konstruktionen zu den sonst üblichen Instrumenten erdacht werden.

Möglicherweise sollen die Instrumente als Reisemikroskope angeboten werden – ähnlich der transportablen Nivelliere und übrigen Vermessungsinstrumente, die ab jener Zeit zur Gewichtsersparnis in Aluminium gefertigt werden.

Die Bedeutung des hier gezeigten Mikroskops aus dem Jahre 1889

wird durch einen Beitrag in Nature 1892 deutlich. Ein Bericht zur Sitzung der Royal Microscopical Society ist abgedruckt, bei dem der Vizepräsident der Gesellschaft ein Mikroskop aus Aluminium vorstellt, welches er als das seines Wissens nach erstes Instrument aus diesem Werkstoff vorstellt (Societies and Academies. Nature 47 (1202); London November 10, 1892: 47):

Royal Microscopical Society, October 19. – Mr. G.C. Karop, Vice-President, in the chair. – The chairman exhibited and described Messrs. Swift’s aluminium microscope, which he believed to be the first microscope made out of that metal. The chief point in the instrument was its extreme lightness, the whole when complete, and including the condenser and eyepiece, weighing only 2 lb. 101/2 oz. as against the weight 7 lb.13oz. of a precisely similar stand made in the usual way of brass. It was perhaps not entirely correct to say that every portion was of aluminium, because there were certain mechanical difficulties met with which prevented som portions from being made of that metal; for instance he believed it was almost impossible to cut a fine screw upon it without the thread „stripping“, and it was also found extremely difficult to solder, so that the neccessary screws in the instrument were made of brass, the Campbell fine adjustment of steel; the rack and pinion coarse adjustment was alo not made of aluminium, and the nose piece was of German silver.

Offenbar ist das hier gezeigte Mikroskop der Firma Zeiss bei der Royal Microscopical Society drei Jahre nach seiner Auslieferung nach Berlin nicht bekannt. Ferner sind auch zu jenem Zeitpunkt bei dem Mikroskop der Firma Swift einige der oben beschriebenen mechanischen Teile nicht aus Aluminium gefertigt.

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Leider ist über den Listenpreis für dieses Stativ nichts in Erfahrung zu bringen. Aluminium steht erst ab 1886 über den nach dem Amerikaner Charles Martin Hall (1863-1914) und den Franzone Paul Héroult (ebenfalls 1863-1914) benannten Hall-Héroult-Prozess, einem Elektrolyseverfahren, kostengünstig zur Verfügung.

Während der Aluminiumpreis 1852 noch bei 250 Britischen Pfund pro Kilogramm liegt und damit 30 mal so wie jener für Silber, sinkt der Preis für Aluminium durch die Verbesserung der Gewinnung aus Bauxit bis 1890 auf 1 Britisches Pfund pro Kilogramm.

(Datierung mit freundlicher und sehr zuvorkommender Unterstützung von Dr. Wolfgang Wimmer, Archiv Carl Zeiss Jena, 04. und 05.09.2008)

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Über Carl Zeiss

zeiss_1846_esche_1966Carl Zeiss (1816-1888) wird als Kind fünftes Kind des Hofdrechselermeisters Johann Gottfried Zeiß in Weimar geboren. Nach seinem Schulbesuch in Weimar absolviert Carl Zeiss 1834-1838 eine Mechanikerlehre beim Universitätsmechaniker Dr. Friedrich Körner in Jena. Nach Abschluß der Lehre besucht Zeiss 1835-1838 Vorlesungen der Universität Jena in Mathematik, Experimentaphysik, Antropologie, Mineralogie und Optik. Es schließen sich 1838-1845 Wanderjahre mit Stationen in Stuttgart, Wien, Berlin und Darmstadt an. Im Jahre 1845 kommt Carl Zeiss wieder nach Jena und absolviert ein Praktikum am physiologischen Institut bei Prof. M. J. Schleiden.

Carl Zeiss wird die Konzession zur Fertigung und zum Verkauf von mechanischen und optischen Instrumenten in Jena am 19.11.1846 durch die Großherzogliche Landesregierung in Weimar erteilt. Die erste Werkstätte befindet sich in der Neugasse 7 in Jena. Im Juli 1847 zieht die Werkstatt in die Wagnergasse 32 und im August diesen Jahres wird als erster Lehrling August Löber eingestellt. Im September 1847 wird die Produktion einfacher Lupenmikroskope, entsprechend dem hier gezeigten Instrument, aufgenommen. Erst 1857 werden die ersten zusammengesetzten Mikroskope in der Zeiss’schen Werkstatt gefertigt. 1866 wird das 1000. Mikroskop hergestellt; kurz darauf beginnt im selben Jahr die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe. 1872 schließlich werden die Optiken der Mikroskope nach Abbes Berechnungen konstruiert.

Zum Exponat

Dieses Mikroskop taucht bei einer Haushaltsauflösung in Baltimore, Maryland (USA) auf und kann im August 2008 aus Alexandria, Virginia (USA) für diese Sammlung erworben werden.

[Allen Bishop, Los Angeles gebührt mein herzlicher Dank für die Abwicklung des Verkaufs]

Falls Sie ein Instrument anzubieten hätten, würde ich mich über eine Nachricht immer sehr freuen.